Politik will Vattenfall ans Netz

Der Vorschlag der EU-Kommission, Energiekonzernen wie Vattenfall die Stromnetze wegzunehmen, freut SPD und Grüne. Aber die Finanzverwaltung ist skeptisch, ob dadurch der Strom billiger wird

VON SVEN BEHRISCH

Wer das Netz hat, hat die Macht: Mit ihm hält man sich Eindringlinge vom Leib, mit ihm fischt man Geld aus dem Kundenteich – und die Kunden kommt das teuer zu stehen. Bestes Beispiel ist der Quasistrommonopolist Vattenfall in Berlin, der Stadt mit den laut den Statistikern von Verivox.de dritthöchsten Strompreisen der Republik.

Nicht umsonst hatte die EU-Kommission vor allem Deutschland im Blick, als sie nun anregte, den Energiekonzernen ihre Verteilernetze wegzunehmen. Die Unternehmen nämlich hätten „jedes Interesse, dass ihre Konkurrenten keinen fairen Zugang zum Netz erhalten“, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch. Die Aufsicht über die Drähte, in denen der Strom fließt, dürfe nicht mehr in den Händen derer liegen, die ihn erzeugen. Nur so kämen mehr Anbieter an die Leitungsdrähte. Und weil mehr Anbieter mehr Konkurrenz erzeugen, würde der Strom für die Kunden dadurch auch billiger – um bis zu 30 Prozent, so Barroso.

Nicht unbedingt, widerspricht Clemens Teschendorf, Sprecher der Finanzverwaltung. Das Land vermiete für viel Geld seinen Grund und Boden an Vattenfall, damit das Unternehmen darin seine Leitungen verlegen und warten kann. „Die Preisschwankungen für die Verbraucher wären vermutlich nicht sonderlich groß, wenn der Vorschlag umgesetzt würde“, so Teschendorf zur taz. Das Land habe mit Vattenfall gute Erfahrungen gemacht; um die Versorgungssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, müsste außerdem „erst jemand gefunden werden, der über das erforderliche Know-how verfügt, um die Netze zu betreiben.“

Die Verträge zwischen dem Land Berlin und Vattenfall laufen noch weit über das Jahr 2010 hinaus. Würde der Brüsseler Vorschlag vorher in nationales Recht umgesetzt werden, müssten die Verträge gekündigt werden. Ein Unternehmenssprecher wollte dies gegenüber der taz nicht kommentieren.

Daniel Buchholz, Energiefachmann der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bezeichnet die Trennung von Netz und Betrieb dagegen als dringend notwendig, weil die „Betriebsmonopolisten ihre Marktmacht radikal ausnutzen.“ Zwar regelt die Bundesnetzagentur das Entgelt, das für die Durchleitung von Strom anderer Anbieter erhoben wird. Sie stützt sich dabei aber auf die Kostenkalkulation der Netzbetreiber, die Kritiker für extrem undurchsichtig und übertrieben halten. „Das Beste wäre es, einen wirklich unabhängigen Netzbetreiber zu haben; man könnte auch überlegen, ihn in staatliche Hände zu geben“, so Buchholz gegenüber der taz. Anderenfalls bestehe die Gefahr, nur den einen Monopolisten durch einen anderen zu ersetzen.

Die Berliner Grünen fordern bereits seit längerer Zeit, Vattenfall die Kontrolle über das Netz zu nehmen, damit auch kleinere Anbieter einen fairen Zugang erhalten. Im Januar hatten sie sich dafür eingesetzt, in Berlin einen regionalen Präzedenzfall zu schaffen und das zu machen, was Brüssel jetzt vorschlägt. Das scheiterte damals am Widerstand des Senats. Andreas Otto, Energieexperte der grünen Fraktion, begrüßt daher den Brüsseler Vorstoß. Die Messlatte müsse sein, „dass für den Anbieter, insbesondere den Anbieter von Ökostrom, der Zugang zum Netz möglichst einfach und für den Kunden der Preis möglichst günstig ist“.

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