Rechtspopulismus gratis dazu

VERGIFTETES GESCHENK Hamburger Bahnhofsbuchhandel legte seinen Kunden die Rechts-Postille „Compact“ des Ex-Linken Jürgen Elsässer bei – im Dienste der Pressefreiheit, wie der Betreiber mitteilt

Am 2. Weihnachtsfeiertag suchte Ulrike Hidding im Hamburger Hauptbahnhof noch etwas Lesestoff für die Bahnfahrt und kaufte im Press&Books-Laden in der Wandelhalle eine Zeitschrift. „Ein Mitarbeiter fragte mich, ob er mir eine Gratiszeitschrift mitgeben dürfte“, erzählt die Hamburgerin der taz. „Ich habe zugestimmt und er hat mir das Heft in die Tüte gepackt.“ Erst auf der Fahrt sah sie, dass es sich um die Compact handelte. „Die kannte ich bis dahin noch gar nicht.“

Auf der Titelseite der November-Nummer des „Magazins für Souveränität“ – so der Untertitel – sah Hidding dann einen Kämpfer mit US-Flagge im Gesicht und las Schlagzeilen wie „Isis – die unheimliche US-Kreatur“ und „Kinderschänder – der vertuschte Multi-Kulti-Skandal“. Ulrike Hidding war empört. „Normalerweise freue ich mich über jede Gratiszeitschrift“, sagt sie. „Ich hab nur etwas dagegen, wenn es ein so meinungsmachendes Magazin ist, das mit Pegida sympathisiert und behauptet, die USA steckten hinter dem IS. Für mich ist das ein Hetzblatt.“

Das rechtspopulistische Magazin erscheint seit 2010 in Leipzig und agiert in den letzten Wochen zunehmend als Sprachrohr der Pegida-Bewegung. Vorigen Mittwoch hat Chefredakteur Jürgen Elsässer, der früher für Konkret, Junge Welt und Jungle World arbeitete, auf der Legida-Kundgebung in Leipzig gesprochen. Im November war er in Dresden Gastredner bei den „Besorgten Eltern“ (siehe oben).

Ulrike Hidding ging nach ihrer ersten Begegnung mit dem Blatt bei Press&Books davon aus, es mit der unabgesprochenen Privataktion eines Mitarbeiters zu tun zu haben – zumal nicht einmal das aktuelle Heft, sondern die November-Ausgabe in ihrer Tüte gelandet war.

„Nach Neujahr bin ich dann noch einmal hingegangen, um die Geschäftsleitung zu informieren, dass ein Mitarbeiter dort seinen Job als Propagandabühne benutzt.“ Als sie einen Mitarbeiter ansprach, wusste er, um was es geht. „Es schien ihm selbst unangenehm zu sein, aber die Zentrale habe angeordnet, die Compact beizulegen. Die Zeitschrift sei ja auch frei verkäuflich.“

Als die taz das Geschäft wenige Tage später aufsuchte, durften die Mitarbeiter keine Auskunft geben, sondern verwiesen an die Pressestelle des Betreibers Valora Retail Services GmbH, mit einem Marktanteil von 38,8 Prozent Branchen-Führer im deutschen Bahnhofsbuchhandel.

„Bei der von Ihnen beschriebenen Aktion handelte es sich um eine zeitlich begrenzte und bereits abgeschlossene Vertriebsaktion des Magazins Compact“, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens auf Nachfrage und fügte hinzu: „Valora Retail fühlt sich in Deutschland der grundgesetzlichen Pressefreiheit verpflichtet und vertreibt ohne Ausübung einer Zensur Zeitungen und Zeitschriften.“

Diese Erklärung überzeugt Ulrike Hidding jedoch nicht. „Das hat für mich nichts mit Pressefreiheit zu tun“, sagt sie. „Ich möchte auch kein pornografisches Magazin zugesteckt bekommen, nur weil es nicht verboten ist. Ich nehme mir die Freiheit in einem Geschäft, das für so etwas Werbung macht, nicht mehr zu kaufen.“  RLO