Fünf Menschen auf der Anklagebank

JUSTIZ Der spektakuläre Prozess um den Mord von Pferdewirtin Christin R. dauert schon fast zwei Jahre. Die Angeklagten durften sich noch einmal äußern, vergossen Tränen oder forderten Freispruch. Am Donnerstag werden die Urteile gefällt – sie könnten hart ausfallen

Tanja L. weinte und beteuerte, dass sie am liebsten anstelle von Christin „da unten liegen“ würde und es sich nie verzeihen wird, für deren Tod verantwortlich zu sein

VON UTA EISENHARDT

Der Mord hat für Aufsehen und Schlagzeilen gesorgt – ein spektakulärer Prozess zog sich über fast zwei Jahre; doch nun geht es bald zu Ende: Am 21. Juni 2012 wurde Christin R. ermordet, eine Hundebesitzerin entdeckte die Leiche der 21-Jährigen in einem Gebüsch. Ein Dreivierteljahr danach begann der Prozess gegen fünf Menschen, die für ihren Tod verantwortlich sein sollen, ja sogar mehrere Anläufe dazu unternommen hätten.

Es wurde ein langer Prozess, er dauert nun schon fast zwei Jahre. Am kommenden Donnerstag werden die vermutlich äußerst harten Urteile verkündet, nachdem die Angeklagten ihre letzten Worte sagen durften – Worte, welche die Richter bei der Beratung ihrer endgültigen Entscheidung berücksichtigen sollen.

Tanja L. weinte, während sie mit gebrochener Stimme beteuerte, dass sie am liebsten anstelle von Christin „da unten liegen“ würde und es sich nie verzeihen wird, für deren Tod verantwortlich zu sein. Die 29-Jährige war die Erste gewesen, die kurz nach dem Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt hatte.

Lebensversicherungen

Tanja L. berichtete von ihrem Liebesverhältnis zu Robin H. und dem Versuch seiner Mutter Cornelia H., ihr Opfer auf einem Pferdehof in Brandenburg hinterrücks mit einem Messer zu erstechen, um mehrere Lebensversicherungen zu kassieren, die auf die Pferdewirtin abgeschlossen worden waren. Dann sollte Tanja L. das Opfer mit Kaliumchlorid vergiften, was aber nicht geklappt habe, weil die Chemikalie nur intravenös verabreicht eine tödliche Wirkung entfaltet.

Als Nächstes habe Tanja L. ihren kriminellen Bruder Sven L. gefragt, ob er ihr einen Auftragskiller vermitteln könne. Der habe ihr Steven Mc A. benannt, der hätte den Job schließlich am Berliner Stadtrand auf einem Parkplatz erledigt.

Oberflächlich wirkte ihre von durchaus echter Reue getragene Schilderung glaubwürdig. Doch im Laufe des Prozesses gelang es den Verteidigern ihrer vier Mitangeklagten, dem Gericht etliche Widersprüche in der Aussage von Tanja L. aufzuzeigen. Und deren Mandanten präsentieren jeder eine andere Version, warum sie unschuldig sind.

Versicherungsbetrug

Tanjas Bruder, Sven L., beteuerte, er habe nicht gewusst, worum es geht, nur dass er es mit einem Versicherungsbetrug zu tun hätte. Im Gerichtssaal erklärte er mit inbrünstiger Stimme, etlichen Kraftausdrücken und inszeniert wirkendem Aufschluchzen: Er, der im Gefängnis gesessen habe, weil er den Vergewaltiger seiner Freundin zusammengeschlagen habe, würde bei so etwas doch niemals mitmachen! Seine Anwälte sprechen von einer Beihilfe zum Mord, dafür sollte Sven L. keinesfalls eine lebenslange Haftstrafe verbüßen.

Auch Robins Mutter soll nach den Vorstellungen ihrer Verteidiger wegen der gefährlichen, aber in einem angeblich psychischen Ausnahmezustand begangenen Körperverletzung höchstens für drei Jahre ins Gefängnis.

Mit glockenreiner Mädchenstimme bestätigte die 57-Jährige in ihrem Schlusswort die Messerattacke, für die ihr keiner der beiden beauftragten Psychiater eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert hatte. „Aber“, sagt sie nachdrücklich und mit vielen Kunstpausen, „mehr habe ich nicht getan!“ Auch ihr Sohn Robin sei nur das unschuldige Opfer „einer eifersüchtigen und berechnenden Frau“ – damit meinte sie Tanja L. – geworden.

Der 26-Jährige sieht das selbst genauso: „Seit zweieinhalb Jahren sitze ich in U-Haft und musste mich vom Vorsitzenden Richter als ‚Hauptangeklagter‘ titulieren lassen. Am meisten habe ich mich darüber geärgert, als gefühlskalter, skrupelloser Mensch bezeichnet zu werden, denn das bin ich nicht.“

Im Prozess hatte ihn die psychiatrische Gutachterin als pathologischen Lügner beschrieben, weshalb er später zugegeben hatte, dass es seine Unaufrichtigkeit gewesen sei, die ihn vor Gericht gebracht hätte. Er habe nicht aus Habgier morden müssen, jederzeit hätte ihn die reiche Familie seiner Exfreundin großzügig unterstützt. Im Schlusswort bat er das Gericht, „sich vom Druck der Medien zu lösen“ und ein faires Urteil zu fällen, „denn Sie entscheiden, wie es mit meinem Leben weitergehen wird“. Seine Anwälte forderten einen Freispruch.

Das tun auch die Anwälte von Steven Mc A. Im Gegensatz zu ihren Kollegen konnten sie jedoch Gutachten und Zeugen auffahren, welche die Angaben ihres Mandanten untermauern, er habe sich auf Druck von Sven L. zu dessen Schwester ins Auto gesetzt und sich von Dortmund zum Tatort mitnehmen lassen.

Irrigerweise habe er gedacht, wenn er nichts in Richtung Mord unternähme, würde der jungen Frau auch nichts passieren. Entsetzt habe er mit ansehen müssen, wie Robin H. sein Opfer mit einem Seil erdrosselte und sich hinterher mit Tanja L. küsste. Er habe Angst vor „diesen beiden Verrückten“ gehabt und darum Christin nicht helfen können.

Wie das Gericht diese Aussage bewertet, wird am Tag der Urteilsverkündung die spannendste Frage sein. Zwischen Freispruch und einer Verurteilung zu lebenslanger Haft mit besonderer Schuldschwere – also Entschädigung wegen zweieinhalb Jahren unschuldig erlittener Untersuchungshaft oder bis zu 25 Jahren Haft – ist bei der Entscheidung über das weitere Schicksal von Steven Mc A. alles möglich.

Bericht zum Urteil folgt