Sein eigener Kosmos

Alles, was von Edgar Froese bleibt, stammt aus Großbritannien. Ein Team der BBC hatte ihn 2006 für eine Fernsehdoku über Krautrock an eine mehrspurige Straße im wiederaufgebauten Berlin gesetzt. Dort redet er über Deutschland in den 1960ern und über die Anfänge seiner Band Tangerine Dream. „Es gab kein kulturelles Erbe“, erzählt er. „Wir wollten neue Formen finden, also blieb uns nur das Abstrakte.“

Die Geburt experimenteller Musik aus dem zerstörten Nachkriegsdeutschland – niemand konnte dieses Klischee über die deutsche Musikszene der späten 1960er und frühen 1970er besser für sich nutzen als Edgar Froese. In den späten 60ern war der gebürtige Tilsiter (Ostpreußen) im Umfeld des Kreuzberger Zodiak Clubs aktiv. Tangerine Dream experimentierten inzwischen mit Tonbandcollagen. Bald entdeckte Froese die damals erschwinglich gewordenen Synthesizer und Sequencer für sich und hatte so seine Klangsignatur gefunden: ambiente Keyboard-Flächen, pluckernde Sequenzen und mythologisch-verkitschte Albumtitel. Während die Düsseldorfer Krautrock-Szene den ambivalenten Fortschrittsglauben des wiederaufgebauten Deutschlands parodierte, floh Froese in Berlin vor der Gegenwart der BRD in die Unmittelbarkeit der Musiktechnologie, die er zur „Kosmischen Musik“ stilisierte. In seinem Heimatland interessierte das kaum jemand – im Ausland dafür umso mehr. Froese zog nach London, wurde von Virgin unter Vertrag genommen und produzierte bis heute 41 Alben.

In den letzten Jahren waren Tangerine Dream ein Einfluss für Transzendental-Hipster, die ihre Synthesizercollagen auf Tapelabels veröffentlichen. Froese nahm dies nicht zur Kenntnis, der Mittelpunkt seines Kosmos war stets er selbst. Drei Dutzend Besetzungen von Tangerine Dream hat er in 47 Jahren verschlissen und selbst seinen Sohn Jerome mal wegen eines Urheberrechtsstreits verklagt. Diesem kam nun die Aufgabe zu, den Tod seines Vaters zu verkünden. „Das Leben spielt keine Zugaben“, schrieb er auf der Facebook-Seite von Tangerine Dream. Am 20. Januar starb Edgar Froese an den Folgen einer Lungenembolie in Wien. Er wurde 70 Jahre alt.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE