AUF DEM REITERHOF
: Kontrolle und Schaum

Auf einem gefleckten Pferd eine kleine Frau

Auf dem Acker nebenan hocken Schwäne, A. hatte sie von Weitem für Kraniche gehalten. Verlassen Schwäne bei Kälte das Wasser? Hier draußen ist es jedenfalls ziemlich kalt. Die Pferde tragen Decken, die Hunde auch, nur der Katze scheint ihr Fell zu genügen. Ich trage Strickjacke, Mantel und Sommerschuhe.

A. hat mich auf den Hof mitgenommen, sie hat eine Reitbeteiligung an einer Stute und kommt mehrmals in der Woche her. Das Wort „Reitbeteiligung“ kannte ich nicht, aber es erschließt sich leichter als die meisten anderen Fachbegriffe, die mir um die Ohren fliegen. „Sattelzwang“ zum Beispiel bedeutet seltsamerweise nicht, dass man auf dem Hof nur mit Sattel reiten darf, sondern dass ein Pferd Angst vor dem Satteln hat.

Lucero, die braune Stute mit Reitbeteiligung, gilt als kopfscheu (noch so ein Wort), lässt sich dann aber doch streicheln. Ich darf sie bürsten und ihr die Hufe auskratzen. Wie alle Pferde hat sie wunderschöne schwarze Augen. Gesattelt wird sie heute nicht, A. will sie nur ein bisschen führen. Weil Lucero den gefrorenen Boden nicht mag, gehen wir in die Halle. Ich sitze am Rand und gucke den Reitern zu.

Auf einem gefleckten Pferd reitet eine kleine Frau mit hartem Gesicht. Galopp und Trab, diagonales Tänzeln, Gangarten, deren Namen ich nicht kenne. Sie beeindruckt und bedrückt, die komplette Dominanz über ein Tier. A. hat mir auf der Herfahrt die Typologie des Reitens erklärt: Distanzreiter suchen eher sportliche Entspannung, Dressurreiter Kontrolle und Eleganz. In jedem Fall muss man den Willen des Pferdes brechen.

Ob Reiten was für mich wäre, fragt A. danach und drückt mir die Zügel in die Hand, damit sie die Pferdeäpfel aufkehren kann. Eher nicht, denke ich, während Lucero mit lautem Knirschen eine Möhre kaut. Ich kraule ihren riesigen Kopf, zum Dank sabbert sie mir orangen Schaum auf den Arm. CLAUDIUS PRÖSSER