Die Kleinen verschwinden

Die mittelständischen Möbelhändler haben es zunehmend schwer. Vom Konzentrationsprozess in der Branche profitieren vor allem die großen Handelshäuser, deren unlauteren Werbemethoden auch mit dem Wettbewerbsrecht kaum beizukommen ist

2002 gab es laut Umsatzsteuerstatistik 329 Berliner Möbelhändler mit einem Jahresumsatz von mehr als 17.500 Euro; 2005 waren es nur noch 298. Aus diesen Zahlen kann jedoch kaum geschlossen werden, wie viele Unternehmen ihr Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben mussten. Bei der Industrie- und Handelkammer sind derweil immer noch rund 700 Einzelhändler für Wohnmöbel (inklusive Küchen und Bäder) gemeldet. Das deutet darauf hin, dass ein Großteil dieser Gruppe so geringe Umsätze erzielt, dass er statistisch gar nicht erst erfasst wird. Bundesweit scheint auch bei den Möbelherstellern ein Schrumpfungsprozess stattzufinden. Von 1995 bis 2006 hat nach Angaben des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie ein Drittel der Hersteller aufgegeben. Die verbliebenen Firmen setzen vor allem auf den Export: Die Exportquote stieg innerhalb von zehn Jahren von 15 auf 37 Prozent. TvR

VON TILMAN VON ROHDEN

In früheren Jahren brach in den beiden bekanntesten Berliner Stadtmagazinen gegen Ende der Lektüre die Langeweile aus: Seitenweise inserierten Berliner Möbelhändler ihr Unternehmen und heischten um die Aufmerksamkeit der Leser für ihre schönsten Stücke.

Das ist seit längerem vorbei. Die Möbelhändler inserieren deutlich weniger bis gar nicht mehr in diesen Magazinen. Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen. Entweder geht es den Möbelhändlern so gut, dass sie es nicht mehr nötig haben, oder die Branche steht am Abgrund und kann sich diese in der Vergangenheit regelmäßig erschienenen oft großformatigen Anzeigen nicht mehr leisten.

Im Bezirk Charlottenburg scheint die Welt der Möbelhandels noch in Ordnung. Rolf Amann, Inhaber des Möbelgeschäfts Wohnopposition, schätzt seine Situation als „relativ gut“ ein. Es gebe „keine großen Aufs und Abs“, die Geschäftslage sei seit Jahren stabil. Das hält er seiner Strategie zugute. Wohnopposition bietet Möbel für gehobene Ansprüche. „Es gibt einen Bedarf für edle Hölzer“, so der Firmeninhaber. Zudem verkauft er Biomöbel und muss in dieser Nische kaum Konkurrenz fürchten. Die meisten Kunden kämen aber nicht wegen gesundheitlicher Probleme zu ihm, sondern weil ihnen die Anmutung und die Optik der Möbel gefalle.

Von gut gehenden Geschäften kann der Fachverband des Möbel- und Küchenhandels Berlin-Brandenburg dagegen nicht berichten. „Die kleinen Fachhändler sind in den vergangenen zehn Jahren reihenweise kaputt gegangen. Der Zeitpunkt ist abzusehen, wo es sie nicht mehr geben wird, wenn sich nichts ändert“, sagt Reinhard Kusian, der Vorsitzende des Verbandes. Er steht mittlerweile einem Torso vor. Der Verband hat von ursprünglich 80 Mitgliedern bis auf 14 alle verloren: „Die klein- und mittelständischen Möbelhändler haben andere Sorgen. Gespart wird selbst an den Beiträgen für den Verband.“

Seine düstere Beschreibung von Vergangenheit und Gegenwart des Möbelfachhandels kann mit Zahlen nur bedingt unterfüttert werden. Das liegt in erster Linie daran, dass das verfügbare Material nicht besonders aussagekräftig ist. Doch insgesamt scheinen die vorhandenen Daten den Abwärtstrend zu bestätigen (siehe Kasten unten).

Olaf Günther, der früher in der Möbelbranche arbeitete und heute mit seinem Ratgeber „Clever Möbel kaufen“ den Handel kritisiert und den Verbraucher mit Tipps weiterhilft, sieht die Branche schon seit Jahren in einem Konzentrationsprozess. „Die Großen werden immer größer, die Mittleren immer kleiner und die Kleinen verschwinden zusehends.“ Kleine Handelshäuser hätten nur noch eine Chance, wenn sie sich in Produktnischen einrichteten. „In der Spezialisierung liegt das Heil der Branche“, lautet sein Credo.

Die Talsohle sei durchschritten, aber anderes als viele Wirtschaftszweige steckten die Möbelhändler weiterhin in der Krise. Das liege nicht nur am Konsumverzicht, sondern auch an den „Blendern“, die die Branche beherrschen würden, so Günther. Sie machten mit ihren riesigen Werbeetats „optisch richtig was her“. Dabei zahlten in Wahrheit 90 Prozent der Möbelkäufer zu viel. Dass die kleinen Händler preislich nicht mithalten könnten, sieht Günther nicht. Gut informierte Konsumenten, die wissen, was sie wollen, sind bei kleinen und mittleren Händlern besser aufgehoben.“

Wie sehr die großen Möbelhäuser und Einkaufsverbände die Szene dominieren, bekommt mittlerweile nicht nur der Handel vor Ort zu spüren, sondern auch die möbelproduzierenden Betriebe. Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie haben in den letzten zehn Jahren bundesweit rund 33 Prozent der Möbelhersteller aufgegeben. Sie konnten notwendige Preiserhöhungen gegenüber dem Großhandel nicht durchsetzen (siehe Kasten unten).

Den Niedergang der kleinen und mittelständischen Möbelhändler erklärt Reinhard Kusian vom Fachverband des Möbel- und Küchenhandels Berlin- Brandenburg mit Mängeln im Wettbewerbsrecht. Die großen Handelsunternehmen könnten machen, was sie wollen. Rechtliche Sanktionen müssten sie kaum befürchten, wenn sie mit billigsten Angeboten werben, die de facto nie in die Regale gelangen oder unlautere Werbung annoncieren. „Die Behörden haben den Kampf für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts längst aufgegeben. Die Handelsriesen diktieren den Markt.“ Sein Verband gewinne regelmäßig Prozesse im Wettbewerbsrecht, aber es nütze nichts. Tage später sei die eben gerichtlich verbotene Werbung ein wenig verändert wieder da. „Illegale Werbung und Kapitalmacht ruinieren meine Branche.“ Die großen Firmen hätten eine Finanz- und Machtstellung, vor der kleine Verbände meist kapitulieren müssten, denn die finanziellen Prozessrisiken seien existenzgefährdend. Dabei könnten kleine Möbelhäuser bei fairem Wettbewerb preislich durchaus mithalten.