Ressourcen aus dem Untergrund

Orte wie Bad Salzungen, Bad Salzschlirf, Bad Salzhausen mit dem Salz im Namen verdanken ihre Entstehung dem Rohstoff Salz. Über die heilsame Wirkung des Salzwassers und wie Solebäder zum binnenländischen Pendant der Seebäder wurden

In Bad Salzungen an der Werra zwischen Thüringer Wald und Rhön sprudeln Quellen mit bis zu 27 Prozent Salzgehalt. Und das seit über 2.500 Jahren. Das Ensemble des Gradierwerkes verbindet ein wunderschönes Kurgebäude in einem ausgefallenen Fachwerkstil. Ein architektonisches Kleinod. Neu hinzugekommen ist die Badelandschaft „Keltenbad“, die mit einem „Salztopf“ lockt: einem Pool mit warmer, hochprozentiger Sole, die einen 100-prozentigen Köperauftrieb erlebbar macht. www.keltenbad.de

Bad Nauheim nördlich von Frankfurt am Main gilt mit seinen verschiedenen Quellen heute als Spezialbad und Zentrum zur Behandlung von Herzleiden. Ein keltischer Salzsiedeofen wurde originalgetreu im keltischen Pavillon rekonstruiert. Als die Römer hier um die Zeit Christi Geburt ein Kastell anlegten, geschah dies vermutlich schon auf den Resten der keltischen Saline. Das Kurbad ist ein wichtiger Standort der neu eingerichteten „Keltenstraße“. Mehrere Gradierwerke, darunter auch eine prachtvolle neue Anlage, sorgen für ausnehmend gute Luft. www.bad-nauheim.de

Bayerns wärmste und stärkste Sole (12 Prozent Salz) sprudelt im oberfränkischen Bad Staffelstein. Die „Obermaintherme“ eröffnete 1986, im Jahr 2001 wurde Staffelstein zum „Bad“ ernannt. Die Sole stammt aus 1.600 Metern Tiefe und ist bis zu 60 Grad heiß. Hier wurde ein Badetempel samt Kurbetrieb mit vielfältigen Heilanzeigen verwirklicht. www.obermaintherme.de

Bad Ems, idyllisch an der Lahn kurz vor ihrer Mündung in den Rhein gelegen, wurde weltweit auch durch sein Salz bekannt. Die Emser Pastille ist ein echter Klassiker gegen Heiserkeit. Das spezifische Brunnensalz ist auch der beste Grundstoff des Universalheilmittels „Nasenspülung“. www.emser.de

Lüneburg, Zentrum der mittelalterlichen Salzgewinnung in Deutschland und Anstoß zur Gründung der Hanse, hat das Deutsche Salzmuseum eingerichtet. www.salzmuseum.de

In Berchtesgaden lockt ein historisches Salzbergwerk die Besucher an. Der Salzabbau in den Alpen reicht etwa 7.000 Jahre zurück und ist erheblich älter als die Salzgewinnung an Solequellen. www.salzwelt.de CHRISTEL BURGHOFF

von CHRISTEL BURGHOFF

An den Gradierwerken der Solebäder träufelt salziges Wasser über hochgeschichtete Schwarzdornzweige. Dunst liegt in der Luft. Es schmeckt nach Salz. Jeder neue Tropfen Sole lässt schneeweiße Kristalle auf dem Reisig der Gradieranlagen zurück. Wer je unter Bronchialproblemen litt, weiß die heilsame Wirkung dieser Luft zu schätzen. Gradieranlagen finden sich heute noch in etlichen Kurorten. Orte wie Bad Salzungen, Bad Salzschlirf, Bad Salzhausen mit dem Salz im Namen verdanken ihre Entstehung dem Rohstoff Salz.

Im Unterschied zum Mittelalter, als an diesen Orten noch aus Sole Kochsalz zum Verbrauch gesiedet wurde, ist die Zahl der Anlagen heute gering. Damals waren die geschichteten Wände aus Zweigen eine bahnbrechende Erfindung. Sie halbierte praktisch den hohen Energieaufwand, der bei der Kochsalzgewinnung anfiel. Die Methode, Sole vor dem Sieden erst über die Zweige der Gradieranlagen zu träufeln, erhöhte durch Verdunstung ihre Salzkonzentration. Der anschließende Siedeprozess zur Gewinnung der begehrten Salzkristalle konnte so stark verkürzt werden. Heutzutage sind andere Gewinnungsverfahren etwa in Salzgärten an den Meeresküsten oder der Abbau von Steinsalz gebräuchlicher.

Da die Sole sich aber zu Kurzwecken eignet, hat sie uns hierzulande Gradieranlagen erhalten. Der Kurbetrieb an Soleorten kam erst nach der Wende zum 19. Jahrhundert in Schwung, als die Erkenntnis von der heilsamen Wirkung des Salzwassers zum festen Bestandteil ärztlichen Wissens wurde – über den Umweg „Seebad“, wo die Wirkung der salz- und jodhaltigen Meeresluft einschließlich Badekuren im Meer zu besten Heilerfolgen geführt hatte. Die Solebäder wurden so zum binnenländischen Pendant der Seebäder.

Schon die Kelten siedeten die Sole. Die Spuren ihrer Aktivitäten an salzigen Quellen reichen 3.000 Jahre zurück. Überliefert ist der Quellenkult, den die Kelten betrieben. Sie nannten das Salz „Hall“. Und auch dieses Wort findet sich noch in Ortsnamen wie etwa Bad Reichenhall. „Hallstattzeit“ meint eine Epoche aus der menschlichen Frühgeschichte, die diese keltische Zivilisation umfasst. Im hessischen Bad Nauheim wurde in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine geradezu industriell betriebene Großanlage zur Kochsalzgewinnung freigelegt. Sie ist zweieinhalbtausend Jahre alt.Was die Sole uns heute bietet: Sie kann uns im Wasser frei schweben lassen. Das entspannt und vermittelt die Ahnung, wie sich Grenzen- und Schwerelosigkeit, kurzum die vollkommene Leichtigkeit anfühlen.

Solebäder lindern Schmerzen bei Rheumatismus, salzige Luft hilft bei Hautkrankheiten und bronchialen Beschwerden

Besonderes Wasser zu trinken und im Wasser zu baden und sich zu reinigen (auch im spirituellen Sinne) sind zeitlose kulturelle Praktiken. Besondere Aufmerksamkeit zogen immer solche Quellen auf sich, die sich in Temperatur oder Farbe oder Geschmack vom gewöhnlichen Wasser unterscheiden. Salz ist nur eines von vielen Mineralien, die Heilwässer seit jeher so begehrt machen. Thermalwässer haben je nach Quelle ganz unterschiedliche Zusammensetzungen. Von Sole spricht man erst ab einer hohen Salzkonzentration. Solebäder lindern Schmerzen bei Rheumatismus, salzige Luft hilft bei Hautkrankheiten, vor allem aber, weil sie Jod und Brom enthält, bei asthmatischen und bronchialen Beschwerden. Zur Behandlung des Verdauungstraktes, der Gallenblase und der Leber werden spezielle Mineralwässer mit je spezifischen Zusammensetzungen eingesetzt. Sogenannte Säuerlinge sind Mineralwässer, die natürliche Kohlensäure enthalten. Sie werden traditionell für Trinkkuren genutzt, etwa bei Nieren- und Harnsteinerkrankungen. Seit sich ihre kreislaufbelebende Wirkung herausgestellt hat, gelten sie auch als ideal für Badekuren bei organischen Herzkrankheiten.

Nicht zuletzt die Wärme vieler Thermalquellen macht das besondere Wasser seit jeher beliebt. Mindestens 20 Grad warm sollte das Wasser aus der Erde sprudeln, wenn von einer Therme die Rede ist. Thermen waren die Leidenschaft der Römer. Historisch gesehen betrieben nur die Römer einen den Kelten vergleichbaren Kult ums lebensspendende Wasser. Den Legionären entlang dem römischen Limes im kälteren Teil Europas standen zahlreiche Thermen offen. Kampfverletzungen, Rheumatische Beschwerden, Lähmungen und viele andere Gebrechen wurden im warmen Wasser kuriert. Mit dem Niedergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert zerfielen auch die prachtvollen römischen Thermalbäder. Auf der Vorarbeit der Römer beruhen jedoch die prächtigsten Kurorte von heute: Baden-Baden, Badenweiler, Wiesbaden – alles römische Gründungen.

Wie intensiv und erfolgreich in früheren Zeiten Schlämme, Kreide, Moor, Fango für Heilverfahren eingesetzt wurden, ist nicht genau überliefert. Die Balneologie (Bäder- und Heilquellenkunde) ist keine Wissenschaft im strengen Sinne, sie entwickelte sich aus der Experimentalgeschichte von Naturheilkundlern und wurde in Deutschland erst im 19. Jahrhundert wirklich ernst genommen. Ihr Aufstieg ist unter anderem mit Namen wie dem des Pfarrers Sebastian Kneipp verbunden. Fango etwa ist ein vulkanischer Mineralschlamm, der heute selbstverständlich für Packungen bei chronischen Gelenkerkrankungen verwendet wird. Die sanfte Heilung, die Vorsorge oder Rehabilitation nach medizinischen Eingriffen sind die Heilfelder der Ressourcen aus dem Untergrund. Es sind sehr menschengemäße Verfahren, beruhen sie doch auf den Inhaltsstoffen jenes tropischen Urmeeres, das einst große Teile Mitteleuropas bedeckte. Heute lagern die Mineralien komprimiert in tiefen Gesteinsschichten. Und sie scheinen unerschöpflich zu sein. Es braucht nur Wasser aus Niederschlägen, das diese Gesteinsschichten durchfließt, und der mineralische Reichtum kann an die Oberfläche transportiert werden.

Literaturtipp: Vladimir Krizek, „Kulturgeschichte des Heilbades“, Kohlhammer Verlag, 1990