Baden im Jungbrunnen Deutschland

In Bad Homburg oder Bad Neuenahr, in Wiesbaden oder Baden-Baden beschwören prachtvolle Gebäude und Jugendstilbäder eine alte Kurtradition. Kuren und baden in Heilbädern hat eine lange Geschichte in Deutschland. Heute setzen auch die Kurbäder auf den wachsenden Wellness-Trend

Anders als Wohlfühl- und Kuschelwellness sollen Medical-Wellness-Angebote der Gesundheitsprävention dienen. Der Medical Wellness Verband erstellt Qualitätsstandards, nach denen Medical-Wellness-Anbieter zertifiziert, Produkte geprüft und Begriffe des Bereichs Medical Wellness geschützt werden. Wichtigstes Kriterium: Ein Arzt muss immer zur Betreuung des Gastes hinzugezogen werden. Medical Wellness Verband, Twin-Towers-Berlin, Fanny-Zobel-Str. 9 12435 Berlin, Tel. (0 30) 81 87 33 10, Fax (0 30) 81 87 33 49, kontakt@dmwv.de, www.dmwv.de Hilfreich als Wegweiser durch den Dschungel der Wohlfühloasen sind die Qualitätsprädikate der Wellness-Hotels Deutschland GmbH und des Deutschen Wellness Verbands. Wellness-Hotels Deutschland GmbH, Haroldstraße 14, 40213 Düsseldorf, Tel. (02 11) 6 79 69 79, Fax (02 11) 6 79 69 68, www.w-h-d.de, post@w-h-d.de Der Deutsche Wellness Verband e. V., Neusser Straße 35, 40219 Düsseldorf, Tel. (02 11) 1 68 20 90, Fax (02 11) 1 68 20 95, info@wellnessverband.de, www.wellnessverband.de Der TÜV Rheinland erstellt Expertisen und prüft als unabhängige Institution Medical-Wellness-Angebote. TÜV Rheinland Group, Am Grauen Stein, 51105 Köln, Tel. (02 21) 8 06 43 43, tuvcert@de.tuv .com, www.tuv.com Die Reisemesse Köln International bietet vom 30. November bis 2. Dezember neueste Kur- und Wellness-Trends. Gemeinsam mit ihrem Kooperationspartner, dem Deutschen Heilbäderverband e. V., präsentiert die Kölnmesse ein begehbares „Wellnesshotel“. Auf der RKI sind unter anderem Wellness-Anbieter wie die Thermen des Südens aus Bad Krozingen, die Badenweiler Therme, das Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg, das Steirische Thermenland aus Österreich. Auch Kurorte wie Bad Reichenhall, Bad Kissingen, die Sächsischen Staatsbäder Bad Elster und Bad Brambach, Bad Krozingen, Bad Pyrmont, Bad Sassendorf, Bad Bertrich, Bad Mergentheim, Bad Franzensbad, Bad Westernkotten oder das Ostseebad Kühlungsborn stellen ihre aktuellen Angebote vor. ED

von EDITH KRESTA

In der kleinen Konditorei trifft man nachmittags vor allem gepflegte Damen. Im Kurpark laufen dynamische Jogger, die das neueste Anti-Aging-Programm testen. Einige Luxusläden mit Pelz und Schmuck in der Fußgängerzone, ein Designerladen, eine Edelboutique zeugen von einer zahlungskräftigen Klientel. Bad Homburg, Bad Nauheim, Bad Neuenahr, Bad Wildbad oder Baden-Baden – Deutschland ist gesegnet mit Kurbädern. Dreihundert Heilbäder und Kurorte sind auch touristisches Kapital. Prachtvolle Gebäude, Jugendstilvillen und Jugendstilbäder beschwören in Orten wie Baden-Baden oder Wiesbaden die alte Kurtradition. Das Casino im Kurhaus, das meist strahlend weiß und prachtvoll im Stil der Belle Epoque erbaut und restauriert ist, hat elegantere Zeiten erlebt. Heute kämpft man dort mit ausgefallenen Events um zahlungskräftige Gäste.

Die deutschen Kurbäder mögen sich im Therapieangebot unterscheiden, atmosphärisch sind sie sich ähnlich: Schnell hat man die Sehenswürdigkeiten abgeklappert, die einschlägigen Restaurants mit überbordendem Art-déco-Interieur besucht. Eine neue Therme mit Wellness-Bereich, eine alte, etwas heruntergekommene Trinkhalle, weitschweifige Parkanlagen, zwei oder drei repräsentative Hotels – die Inszenierung der Entschleunigung ist überall gleich.

Bäder, die den touristischen Konkurrenzkampf überleben wollen, bauen heute imposante Wellness-Tempel. Sie trumpfen mit den fantasievollsten Anwendungen – inzwischen vorzugsweise mit regionalem Bezug – vom Keltenbad bis zum Tresterwickel auf. Gefragt ist ein jüngeres, stressgeplagtes Publikum. Denn der Wunsch nach Erholung und Entspannung nimmt zu. Nach einer Untersuchung des BAT-Freizeitforschungsinstituts möchte nahezu jeder zweite (45 Prozent) in den Ferien gesundheitsfördernde Angebote in Anspruch nehmen.

Wiesbaden ist mit seinen heilsamen Quellen eines der ältesten Kurbäder Europas. Das Jugendstilthermalbad, die Kaiser-Friedrich-Therme, wurde 1910 bis 1913 erbaut. Im Jahr 1999 wurde es aufwändig saniert. Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus stand hier an gleicher Stelle ein römisches Badehaus. Die Römer wussten um die heilsame Wirkung der Thermalquellen und kultivierten erst mal das Badewesen in Deutschland. Im ausgehenden Mittelalter kam das europäische Badewesen dann zu einer neuen Blütezeit.

Die öffentlichen Badestuben dienten der Körperpflege, hier traf man sich zur Unterhaltung, hier speiste man, hier liebte man sich auch. Hier wurden aber auch chirurgische Eingriffe, Aderlass oder Schröpfen, durchgeführt. Die Badestuben begünstigten Krankheiten, insbesondere die „Lustseuche“. Sie gerieten in Verruf. Im 17. Jahrhundert entstanden dann in vielen europäischen Ländern neue Kurorte mit Trinkbrunnen, Kolonnaden und großen Kursälen.

Jeder Kurort hatte und hat seine spezifische Behandlungsmethode. Thermalwasser, Sole und Moor stehen als natürliche Ressourcen zur Verfügung. Sebastian Kneipp, geboren 1821, zog mit seiner weltberühmt gewordenen Physiotherapie Tausende zur Kur nach Deutschland. „Made in Germany“ gilt im Bäderwesen als Inbegriff für Qualität.

Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten sich die Heilbäder zu Treffpunkten der Adeligen und Wohlhabenden. Man genoss die lindernde und vorbeugende Wirkung der natürlichen Heilmittel, des Bodens, des Meeres und des Klimas. Damals wie heute ging es nicht nur um eine klassische Kur, sondern um Gesundheit, Schönheit. Zerstreuungsangebote zogen die Gäste an. Wo diese nicht gegeben waren, suchte man nach anderer Ablenkung. „Eine kleine Liebschaft“, schreibt der Geheimrat Johann Wolfgang Goethe, der gerade zur Kur in Karlsbad weilte, „ist das Einzige, was uns einen Badeaufenthalt erträglich machen kann, sonst stirbt man vor langer Weile.“ So wurde der Kurschatten geboren.

Baden-Baden, die Stadt an der Oos, ist weltweit als die Bäderstadt bekannt. Kaiser und Könige kamen jedes Jahr für einige Wochen mit ihrem Hofstaat zur Sommerresidenz hierher. Baden-Baden war Treffpunkt von Musikern und Literaten und nicht zuletzt die Stadt mit den meisten Spielkasinos Deutschlands. Das zog vor allem die russische Elite magisch an. Hier konnte man alles gewinnen, aber auch alles verlieren. Ab 1848 lebte hier Schukowski – der Vater der russischen Lyrik, Ziehvater von Puschkin und Erzieher des späteren Zaren Alexander II. Gogol war da und Iwan Turgenjew, Fedor Dostojewski, Iwan Goncharow und Lew Tolstoi. „Ich erkläre Ihnen hiermit, dass ich mich hier in Baden-Baden endgültig niedergelassen habe, mich nicht mehr als Russen betrachte, sondern als Deutschen, und dass ich darauf stolz bin“, schrieb Turgenjew, der Autor von „Väter und Söhne“, an Dostojewski, nachdem er einige Jahre in der Stadt verbrachte.

Die Badekultur der Adligen setzte sich im Kurwesen des Sozialstaates fort

Ein Drittel der Gäste in Baden-Baden kommt auch heute aus dem Ausland. Tendenz steigend. Denn sie sind wieder da, die neureichen Russen auf den Spuren ihrer Ahnen. „Baden-Baden ist die einzige russische Stadt außerhalb Russlands“, berichtet der heimische Südwestrundfunk. Reiche ziehen immer wieder an die Oos, Millionäre kaufen sich eine Villa in bevorzugter Wohnlage, die passenderweise Millionenhügel genannt wird.

Wie positioniert sich Baden-Baden im Konkurrenzkampf? „Die medizinischen und Wellness-Angebote haben ebenso wie die Angebote im Bereich Kunst und Kultur den internationalen Ansprüchen stets vorauseilend Rechnung getragen“, behauptet Brigitte Goertz-Meissner, Geschäftsführerin der Baden-Baden Kur & Tourismus Gmbh. „Mit dem Bau des Festspielhauses vor ca. 10 Jahren, Europas zweitgrößtes Opern- und Konzerthaus, wurde an die große Musiktradition angeknüpft. Heute wird das Haus in einem Atemzug mit der Mailänder Scala oder der Metropoliten Opera in New York genannt.“ Baden-Baden baut auf Kultur und Geld.

So können sich nicht alle Bäder positionieren, die unter der Kostendämpfung im Gesundheitswesen leiden, weil die von den Krankenkassen finanzierten Kuren eingeschränkt wurden und diese Gäste wegbleiben. Die weniger gerühmten Bäder bleiben dabei auf der Strecke. Die Badekultur der Adligen setzte sich in Deutschland im Kurwesen des Sozialstaates fort – weniger glitzernd, aber effektiv und demokratisch. Heute ist stattdessen die selbstorganisierte und selbstbezahlte Gesundheitsvorsorge und Prävention gefragt. Solche gesundheitsbewussten potenziellen Kunden bewerben inzwischen Kureinrichtungen, Reha-Kliniken und Wellness-Hotels in gleichem Maße. Mit Investitionen in einer Gesamthöhe von mehr als 400 Millionen Euro reagieren beispielsweise die bayerischen Heilbäder auf die Herausforderungen der Zukunft. Ziel ist die Positionierung als moderne Kompetenzzentren für Medical Wellness und Prävention – den beiden großen Trends im Gesundheitstourismus neben der klassischen Kur.

Mit hochkarätiger medizinischer Infrastruktur und Naturschätzen wie Sole, Moor, gesundem Klima und Thermalwasser bieten die deutschen Bäder beste Voraussetzungen für diesen Wandel. Sie bieten Raum und Personal für sämtliche Spielarten des neuen Wellness-Trends. Beispielsweise in Bad Neuenahr: „Komposition Rosenblüte – Jugendliche Kraft, belebende Frische. Dazu gehören Trockenbürstenmassage, Ahr-Trester-Peeling Ganzmassage mit Ahr-Rotwein und Rosenessenzen.“ Kuren light. Das ist auf jeden Fall unterhaltsamer als streng verordnete Diäten.