Kein Vertrauen in die Staatsanwaltschaft

MEXIKO Angehörige der 43 im September verschwundenen Studenten geben sich mit der offiziellen Version nicht zufrieden. Sie befürchten, das Militär könnte verwickelt sein, und fordern Ermittlungen

MEXIKO-STADT taz | Vier Monate nach dem Angriff von Polizisten und Kriminellen auf Studenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero sind am Montag erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen. In einem Sternmarsch forderten Demonstranten in Mexiko-Stadt die Aufklärung des Verbrechens, bei dem im September sechs Menschen starben und 43 Lehramtsanwärter entführt wurden.

Noch immer schenken die Angehörigen der Vermissten den Aussagen der Staatsanwaltschaft keinen Glauben. Nach der Version der Strafverfolger sind die Männer nach ihrer Festnahme in der Stadt Iguala von Polizisten an Killer der Mafiaorganisation Guerreros Unidos übergeben und von diesen hingerichtet worden. Diese Darstellung der Geschehnisse an jenem 26. September basierte zunächst auf Geständnissen dreier mutmaßlicher Täter, die jedoch bei ihrer Präsentation Folterspuren aufwiesen. Untermauert wird sie von den Angaben des letzte Woche verhafteten Bandenmitglieds Felipe Rodríguez Salgado. Er hatte eingeräumt, mindestens 15 der verschwundenen Studenten ermordet zu haben.

Angehörige und Menschenrechtsverteidiger kritisieren, dass der Version der Staatsanwaltschaft lediglich Aussagen der Tatverdächtigen zugrunde lägen. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis“, erklärte der Rechtsanwalt Alejandro Ramos Gallegos. Zweifel ruft auch die These hervor, die 43 Männer seien auf einem Müllplatz verbrannt worden. Obwohl die Halde in einem ausladenden Tal liegt, hat offenbar niemand das Feuer oder den Rauch gesehen.

Zu Zeiten des „schmutzigen Krieges“ der 1970er Jahre ließen Militärs in Guerrero zahlreiche Oppositionelle verschwinden. Auch heute häufen sich wieder Berichte, nach denen Soldaten für das Verschwinden von Menschen verantwortlich sind. Deshalb schließen die Angehörigen nicht aus, dass die Studenten vom Militär verschleppt wurden. Amnesty International fordert Ermittlungen gegen die Armee.

Am 7. Juni finden in Mexiko Parlamentswahlen statt. Angesichts der Verflechtungen der Parteien mit der Mafia rufen Oppositionelle dazu auf, den Urnengang zu boykottieren. „Wer wählen geht, stimmt für die organisierte Kriminalität und korrupte Kandidaten“, sagte der Angehörigensprecher Felipe de la Cruz auf der Demonstration am Montag. WOLF-DIETER VOGEL