die taz vor 9 jahren über irans präsident chatami, der die rushdie-affäre für beendet erklärte
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Der iranische Staatspräsident hat den seit 1989 bestehenden Mordaufruf gegen den Schriftsteller Salman Rushdie faktisch zurückgenommen. Teheran hat zwar schon vor längerem erklärt, daß „in der Affäre nichts mehr unternommen werde“, dieser Schritt hat jedoch innenpolitisch große Bedeutung.

Chatami, der als „moderner Islamist“ gilt, ist seit seiner Amtseinführung von den Konservativen im Lande wegen seiner „liberalen Politik“ heftig kritisiert worden. Eine von einem religiösen Führer ausgesprochene Fatwa kann zwar nur von diesem selbst zurückgenommen werden; der iranische Staatspräsident hat jedoch die verfassungsmäßige Aufgabe, „die Leitlinien der Islamischen Republik zu bestimmen“.

Dies hat Chatami getan. Er hat sich gegen seine innenpolitischen Gegner und Zweifel des Auslands durchgesetzt, die ihm zuwenig Rückhalt im Iran unterstellten.

Auch außenpolitisch setzt die Rücknahme klare Signale. Die geopolitische Lage in Mittelasien hat sich in den letzten Monaten stark verändert. Nachdem sich der Iran lange Zeit als regionale Großmacht wähnen konnte, haben Indien und Pakistan mit der Atombombe Teheran einiges voraus.

Die andauernde iranische militärische Präsenz an der Grenze zu Afghanistan ist nichts anderes als eine Machtdemonstration, die auch den neuen asiatischen Atommächten gilt. Der Iran muß nun jedoch seinen langjährigen Einzelkämpferstatus überwinden, den er sich lange leisten konnte. Dieser hat sich zu einer Isolation entwickelt, in der es selbst dem schiitischen Staat nicht mehr lange möglich sein wird, gegen Dialogangebote aus dem Westen zu mauern.

Peter Schäfer, 24. 9. 1998