ORTSTERMIN: BEIM FREITAGSGEBET DER AHMADIYYA
: Der Besuch des Kalifen

In einem der drei blankpolierten schwarzen Wagen, die auf den Parkplatz einer Turnhalle in Hamburg Schnelsen rauschen, muss er sein: der Kalif, den seine Anhänger „Seine Heiligkeit“ nennen. Hadhrat Mirza Masroor Ahmad sei „die wichtigste islamische Persönlichkeit unserer Zeit“, steht in der Einladung der Hamburger Ahmadiyya-Gemeinde.

Inzwischen ist der Kalif aus dem vordersten Auto ausgestiegen. Sein dunkles Gewand reicht bis auf den Boden, während sein strahlendweißer Turban fast mit dem hellen Herbsthimmel verschwimmt. Männern in dunklen Anzügen schieben ihn Richtung Halleneingang.

Die Sicherheitsregeln sind streng heute, Polizei und sogar das LKA sollen vor Ort sein. Männer in neongelben Westen durchsuchen am Halleneingang die Taschen und scannen die Besucher mit einem Metalldetektor.

In Deutschland haben die Ahmadiyya mit Plakataktionen für einen friedlichen Islam von sich reden gemacht, von den meisten anderen Muslimen werden sie allerdings nicht anerkannt. Ihr Gründer Mirza Ghulam Ahmad nahm für sich Anspruch, der verheißene Messias zu sein – für orthodoxe Muslim ein Sakrileg. Erst vergangenes Jahr wurde in Pakistan ein Terroranschlag auf zwei ihrer Moscheen verübt.

Im Inneren der Turnhalle hängen bunte Stofftransparente mit der Aufschrift „Kein Zwang im Glauben, Islam heißt Frieden“. Die Funktionäre der Ahmadiyya tragen Namensschilder mit dem Slogan „Liebe für alle, Hass für keinen“. Schon bei ihrer Gründung ihm kolonialen Indien lehnten die Ahmaddiya den bewaffneten Kampf ab, von radikalen Muslimen wurden sie darum als Kollaborateure beschimpft.

Hunderte von Gläubigen sind zu dem Freitagsgebet in die Halle gekommen, sie sitzen auf bunten Teppichen, die sie mitgebracht haben Ihre Schuhe haben sie ausgezogen und in raschelnde weiße Plastiktüten gepackt, die nun den Rand der Turnhalle säumen wie Strandgut, das unter den Basketballkörben angespült wurde.

Frauen und Kinder halten sich in einem separaten Raum des angrenzenden Schulgeländes auf und verfolgen das Freitagsgebet per Videoübertragung. So sei es Brauch in ihrer Kultur, erklärt eine junge Frau mit beigefarbener Kopfbedeckung und langem Gewand. In der offiziellen Einladung steht, dass sich die Ahmadiyya für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzen.

Der Kalif spricht auf Urdu, für die Gäste gibt es Kopfhörer. Am Rande seiner langen Predigt spricht er auch über einen neuen Terroranschlag in Pakistan. Ein Lehrer sei am ersten Oktober vor den Augen seiner Schulklasse erschossen worden, weil er zu den Ahmadiyya konvertiert war.

Die Stimme des Kalifen schallt durch den Raum: „Jeder Ahmadi sollte rastlos beten, dass die Tyrannei und die Verfolgung ein Ende hat.“ Die Anhänger hören zu, die Köpfe mit den bunt bestickten Gebetsmützen gesenkt. TIZIANA MANELJUK