Das Geheimnis von Hemelingen

Das alte Hemelinger Rathaus wird möglicherweise eine Privatschule. GBI strebt baldigen „Abschluss der Verkaufsgespräche“ an. Verdacht auf Scientology-Beteiligung noch nicht ausgeräumt

„Man kann der GBI nicht vorschreiben, an wen sie zu verkaufen hat“, sagt der Behördensprecher

VON ROMAN RUTKOWSKI

In Kürze wird das denkmalgeschützte, 101-jährige Hemelinger Rathaus leer stehen. Mit dem bevorstehenden Auszug des Ortsamtsleiters wird auch der Kapitän das Schiff verlassen. Seine MitarbeiterInnen sind schon lange weg.

Während ein Kreis von Hemelingern noch über die künftige Nutzung debattiert, befindet sich die Gesellschaft für Bremer Immobilien (GBI) bereits in Verkaufsverhandlungen. Ortsamtsleiter Ullrich Höft erklärt, ein Kaufangebot sei in einer Größenordnung abgegeben worden, „bei welcher die GBI nicht nein sagen kann“. Eine Privatschule soll entstehen. Gewisse Neubauten auf dem Gelände wären durch den Interessenten geplant und begrenzt möglich.

Nach taz-Recherchen handelt es sich beim dem Interessenten um die „BSB Erwachsenenbildung Ltd.“ Diese betreibt in der Innenstadt eine Einrichtung der Erwachsenenbildung mit Integrations- und Sprachkursen. Auf dem Programm steht auch „Physiognomik“. Diese wollte im 19. Jahrhundert aus dem Gesicht des Menschen die charakterlichen Eigenschaften ableiten. Wie es zur angedachten Millioneninvestition des Privatgymnasiums kommt, dazu wollte Geschäftsführer Murat Cinkaya am Dienstag nicht Stellung beziehen.

In einem Gespräch des Hemelinger Beirates mit der BSB war der Verdacht auf eine Nähe zu Scientology aufgekommen. Auch wenn sich dafür aus dem vorgelegten Konzept kein Anhaltspunkt ergibt, prüft das Bildungsressort noch. Michael Utsch, Fachreferent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, hält eine Beteiligung von Scientology zwar für möglich, jedoch nicht für wahrscheinlich. Zu offensichtlich seien deren Lehrmethoden und -inhalte, als dass sie im Schulbetrieb verborgen bleiben könnten. An einer Stellungnahme hierzu zeigte die BSB bis Redaktionsschluss kein Interesse.

Auf Seiten der GBI „erhofft man sich einen positiven Abschluss“ der Verkaufsgespräche – die Immobilie sei schwer zu vermarkten. Allerdings mache man den Verkauf auch von der politischen Legitimation abhängig. Die Kaufabsicht sei an die Anerkennung als Schule durch die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) geknüpft. Von dort habe man mündlich „grünes Licht“ erhalten, so die GBI.

Nur weiß Behördensprecher Manfred Ruberg, nichts von besagtem „grünen Licht“. Das Prüfstadium sei noch nicht abgeschlossen. Man „könne auch der GBI nicht vorschreiben, an wen sie zu verkaufen habe.“ Die Senatorin kümmere sich lediglich um die Frage der Seriosität des Bildungsanbieters. Der potentielle Käufer hätte im März mit dem Privatschulreferenten Vorgespräche geführt. Aus dem vorgelegten, laut Ruberg sehr allgemein gehaltenen Konzept, gehe lediglich hervor, dass die Gründung eines Privatgymnasiums geplant sei.

Eine Anerkennung nach dem Privatschulgesetz ist Ergebnis intensiver Prüfung. Neben einem geeigneten Gebäude muss der Ausbildungsbetrieb mit qualifizierten Lehrkräften sichergestellt sein. Drei Jahre lang ist mittels eigener Finanzierung Unterricht durchzuführen, bevor eine staatliche Förderung gewährt wird. Ein entsprechender Antrag sei allerdings noch nicht gestellt.

Im Hemelinger Beirat ist man mit dem Vorhaben nicht einverstanden. Skepsis herrscht, da man noch zu wenige Informationen über den Interessenten habe, so Ortsamtsleiter Höft. Ein aussagefähiges Konzept des potentiellen Käufers läge nicht vor. Diskussionen über die Privatisierung von Bildung sorgen für weiteren Zündstoff. Auch seien einige Beiratsmitglieder besorgt, dass die Privatschule mit den bestehenden Schulzentren am Stadtrand konkurriere. Diese stünden hinsichtlich ihrer Ausstattung ohnehin nicht gut da, so Höft.

In der Vergangenheit waren Vetorechte des Beirates im Zusammenhang mit der Zukunft des Rathauses missachtet worden. Doch das Stadtteilparlament ging davon aus, dass dies „ein einmaliger Vorgang“ war. Letzteres bleibt abzuwarten. Denn gibt es keine Einigung über die aktuellen Pläne, wird das Rathaus von der GBI zum Verkauf ausgeschrieben. Der Beirat hätte auf den weiteren Verlauf dann aber kaum noch Einfluss, so Höft.