Heimlicher Einbruch

BAYERN Nicht mal vor Einbruch schrecken bayerische Beamte zurück, um den Trojaner zu installieren

BERLIN taz | Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat am Dienstag angekündigt, den umstrittenen Trojaner der Firma Digitask nicht mehr einzusetzen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, zumindest vorläufig darauf zu verzichten, bis der Landesdatenschutzbeauftragte das Programm geprüft habe. Herrmanns Ansicht nach habe Bayern sich mit dem Einsatz jedoch stets „innerhalb des rechtlichen Rahmens bewegt“. Der Chaos Computer Club hatte am Wochenende erhebliche Sicherheitslücken in dem Programm offenbart.

Bisher setzte Bayern die Software in vier Fällen ein. In einem Verfahren hatten die Behörden drei Personen im Verdacht, Kleidung und Drogerieartikel gestohlen und verkauft zu haben. „Die manuelle Installation der Software erfolgte auf Zielrechnern, die sich in einem Firmenbüro befanden“, antwortete das bayerische Innenministerium auf die Anfrage der Grünen-Abgeordneten Susanna Tausendfreund vom Juni. Der heimliche Einbruch sei von einem Durchsuchungsbeschluss gedeckt gewesen. Die Trojaner hörten Internet-Telefonate ab und fertigten 43.147 Screenshots an. Die so ermittelten Daten konnten auch vor Gericht verwendet werden. Einer der Beschuldigten wurde in der ersten Instanz wegen 25 Diebstählen, Urkundenfälschung und unerlaubten Waffenbesitzes zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der zweite Beschuldigte erhielt eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen, der dritte von 90 Tagessätzen.

In einem zweiten Fall verdächtigten die Behörden einen Nürnberger, Drogen und Dopingmittel aus dem Ausland einzukaufen und an Türsteher und Personen aus dem Rotlichtmilieu weiterzuverkaufen. Der Trojaner wurde von der Polizei auf dem Computer des Verdächtigen bei der Einreise am Flughafen installiert. Der Beschuldigte wurde schließlich zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. In den beiden weiteren Fällen ging es um unerlaubten Handel mit Medikamenten und um gewerbsmäßigen Betrug. Die Trojaner schickten insgesamt mehr als 160.000 Screenshots an die Behörden.

Das bayerische Landeskriminalamt hatte bei der Firma Digitask, dem Hersteller des Trojaners, Überwachungstechnik im Wert von mindestens 700.000 Euro bestellt. Die baden-württembergischen Kollegen zahlten gut 1,2 Millionen Euro für die Digitask-Überwachungssysteme, das Zollkriminalamt sogar 2,6 Millionen. SEBASTIAN HEISER