Doppelte Spaltung

AFFÄRE GÜCLÜ

Das muss man erst mal hinkriegen. In nur zwei Tagen den grünen Landesvorstand gegen sich aufbringen und dann noch den Vorstand der Türkischen Gemeinde in Hamburg (TGH) spalten – Nebahat Güçlü hat es geschafft. Die ehemalige grüne Bürgerschaftsabgeordnete, die von 2008 bis 2010 als erste Frau mit Migrationshintergrund Vizepräsidentin eines deutschen Landtags war, hat vor den falschen Leuten gesprochen. Das war naiv – mindestens.

Am 18. Januar redete die 49-jährige Politologin, die aktuell auf Platz 25 der grünen Landesliste für die Bürgerschaft kandidiert, auf einem Kulturfestival der „Türkischen Föderation“ über die Integrationspolitik der Hamburger Grünen. Die Föderation gilt als deutsche Vertretung der türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) und steht den rechtsnationalistischen „Grauen Wölfen“ nahe.

Ein internes Krisengespräch zwischen dem grünen Landesvorstand und Güçlü endete ergebnislos. Daraufhin beschlossen Parteichefin und Spitzenkandidatin Katharina Fegebank und ihr Stellvertreter Manuel Sarrazin, Güçlü aus der Partei zu werfen. Diese habe „der Glaubwürdigkeit der Partei massiv geschadet“, so die Begründung, deshalb werde ein Antrag auf Parteiausschluss beim Landesschiedsgericht der Grünen eingereicht. „Es ist absolut inakzeptabel, bei der Föderation und den grauen Wölfen aufzutreten und um Stimmen zu werben.“

Güçlü schoss zurück: „Ich lasse es nicht zu, meine Integrität als überzeugte Antirassistin und Demokratin infrage zu stellen.“ Selbstverständlich lehne sie „das rechtsnationale Gedankengut der MHP strikt ab. Ich stehe jedoch seit Jahrzehnten mit meiner Person für den Dialog zwischen Kulturen und Weltanschauungen“, stellte Güçlü klar.

Auch die TGH, deren Vorsitzende sie seit zwei Jahren ist, befasste sich am Dienstagabend mit den Vorgängen – und spaltete sich. Drei Vorstandsmitglieder traten aus Protest zurück, die verbleibende Mehrheit des Gremiums hingegen fordert ein Ende der „Hetz- und Rufmordkampagne“ gegen seine Vorsitzende. Der Vorstand sei „entsetzt über die absurde Kritik, die an Nebahat Güçlüs politischer und persönlicher Integrität geübt wird“. Güçlü engagiere sich seit 30 Jahren „gegen Rechtsextremismus und religiösen Fanatismus“, heißt es in der Erklärung.

Wann das grüne Schiedsgericht sich mit dem Vorgang befasst, ist offen. Aber vor der Bürgerschaftswahl in zwei Wochen wird es kein rechtskräftiges Ergebnis geben können. Es kann ein langer Abschied werden.  SMV