„Sie prägten die Bewegung“

GESCHICHTE Die Männer der 68er sind bekannt. Nun zeigt eine Ausstellung die „weibliche Seite“

bezeichnet sich als „junge 68erin“, arbeitet als Fotografin, Privatdozentin und Autorin und ist die Gründerin des Berliner Fotosalons.

taz: Frau Westerwelle, warum sind fast nur Männer und kaum Frauen der 68er-Bewegung bekannt?

Ruth E. Westerwelle: Die Geschichte der 68er ist männlich besetzt. Es ist aber historisch falsch, dass sie allein als die großen Kerle dargestellt werden. Es gab ebenso Frauen, die an exponierter Stelle standen. Noch nie gab es eine so selbstbestimmte Frauengeneration. Das war auch das Besondere, dass es noch gar keine Frauenbewegung gab, in der das Gesellschaftsbild herausgefordert wurde.

Ist die historische Perspektive denn ignorant oder war es ein Problem der Verhältnisse unter den den 68ern?

Alles, wie so oft. Die Männer haben schnell die Führerschaft für sich beansprucht und die Frauen hatten keinen Bock, damit zu konkurrieren. Hinzu kommt, dass die Geschlechterverhältnisse sehr schwierig waren. Gretchen Dutschke-Klotz ist die Yoko Ono der Revolution. Sie war wie ein rotes Tuch, weil sie Rudi Dutschke angeblich der Bewegung wegnahm.

Und welche Rolle spielten die Frauen?

Sie prägten genauso die Bewegung. Dabei wurden sie anfangs von männlicher Seite auf „Bräute der Revolution“, „Tippsen der Revolte“ und den berühmten „Nebenwiderspruch“ reduziert. Davon haben sie sich emanzipiert, es war tatsächlich eine Revolte nach der Revolte. Sie haben Demos organisiert, die ersten Buchläden gegründet oder sie setzten sich dafür ein, dass Krankenschwestern nicht mehr diese Häuptchen aufsetzen mussten. Das trug zu ihrer gesteigerten Achtung bei. In dieser Zeit ist auch in Bremen viel passiert. Am Domshof wurde auch mal eine Straßenbahn umgekippt.

Wie sahen Ihre Recherchen für die Ausstellung aus?

Es war wahnsinnig schwierig. Insgesamt dauerten die Recherchen fünfzehn Jahre. Ich habe Frauen an den verschiedensten Orten besucht. Zum Beispiel Gretchen Dutschke-Klotz in den USA, Beate Klarsfeld in Paris oder auch Yoko Ono. Es sind Porträts lebendiger, wacher Frauen. Sie werden im Kontext des damaligen Geschehens sowie im Hier und Jetzt gezeigt. Die Frauen sind heute ungewöhnliche, lebendige Alte, die aus den Ideen der 68er etwas Spannendes gemacht haben.  INTERVIEW: MERLIN PRATSCH

Ausstellungseröffnung: 18 Uhr, Bremische Bürgerschaft