Schüler sollen fairer spielen

Mobbing an Schulen ist ein schwerwiegendes Problem, das manchmal sogar im Suizidversuch der Opfer endet. Das Projekt „fairplayer“ will Lehrer sensibilisieren und ermöglicht Schülern, einmal in die Rolle des anderen zu schlüpfen

Beschimpfen, erpressen, Gerüchte streuen – Mobbing hat viele Spielarten. Und es findet auch im Klassenzimmer statt: „Wir wissen, dass 10 bis 12 Prozent der Schüler regelmäßig Bullying, also Mobbing, ausgesetzt sind“, sagt Herbert Scheithauer. Er ist Leiter der Initiative fairplayer, eines Projekts gegen Gewalt, das nach Aktivitäten in anderen Bundesländern jetzt auch an Berliner Schulen gehen will.

Bisher war das 2003 vom Verein fairplayer mit der Freien Universität Berlin entwickelte Projekt vor allem in Bremen tätig: Hier haben die Fairplayer-Mitarbeiter bereits mit über 30 Klassen gearbeitet. Das Konzept: Im Rahmen einer mehrtägigen Schulung werden die Klassenlehrer mit den Projektzielen vertraut gemacht. Anschließend behandeln Mitarbeiter der Initiative, sogenannte Teamer, das Thema „Bullying“ mit den Jugendlichen im Unterricht. Vor allem Zivilcourage sollen die Schüler hier lernen. Denn nicht nur Opfer und Täter spielten beim Bullying eine Rolle, erklärt Scheithauer. Besonders wichtig seien diejenigen, die danebenstehen, ohne einzugreifen.

Fairplayer sieht für das Training rund 15 Doppelstunden Unterricht vor – ein ambitioniertes Programm, aber nach Ansicht von Scheithauer notwendig, um nachhaltige Wirkung zu erzielen. „Bullying ist keine Kleinigkeit. Die Opfer leiden oft stark darunter, das kann zu Depressionen und in seltenen Fällen bis zum Suizidversuch führen“, betont er. Auch sei Bullying oft ein Teufelskreis: Wer gemobbt werde und sich aus Angst keine Hilfe suche, gewöhne sich mit der Zeit an seine Opferrolle, während der Täter ungestraft bleibe und sich dadurch in seinem Verhalten bestätigt fühle.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, sollen die Jugendlichen etwa in Rollenspielen ein Gefühl dafür entwickeln, wann jemand gemobbt wird und Unterstützung von anderen benötigt. So muss etwa ein Schüler, der als Klassenrowdy gilt, auf einmal Partei für ein Mobbingopfer ergreifen – und lernt dadurch eine neue Perspektive kennen.

„Den inhaltlichen Ansatz finden wir gut“, sagt der Vorsitzende des Berliner Elternausschusses, André Schindler. Er kann sich das Programm auch an Berliner Schulen vorstellen, weist aber auf dessen Grenzen hin: „Es ist kein Allheilmittel gegen Gewalt an Schulen. Plötzliche Gewaltausbrüche können damit sicher nicht verhindert werden.“ Die Finanzierung betrachtet Schindler nicht als große Hürde. Schließlich profitiere von einem Programm jeweils eine große Gruppe Personen, und Eltern sowie Fördervereine könnten sich beteiligen. Problematisch werde eher sein, für die Initiative eine breite Akzeptanz in den Lehrerkollegien zu finden. „Es müssten alle an einem Strang ziehen, vielleicht auch mal einen freien Tag opfern und von den Teamern direkte Anweisungen entgegennehmen“, so Schindler.

Fairplayer-Leiter Scheithauer ist von seinem Projekt überzeugt: Schüler- und Lehrerbefragungen hätten ergeben, dass nach Anwendung des Programms bis zu 50 Prozent weniger Bullying in der Klasse wahrgenommen würde. Eine neue Evaluation will Scheithauer im Herbst veröffentlichen und dann auch der Bildungsverwaltung vorlegen: „Ich würde mich natürlich freuen, wenn der Senat Interesse hätte, mit fairplayer flächendeckend an den Start zu gehen.“ LANA STILLE