Auf der Elendsmeile
: Hey, yo! Was geht ab?

Alles wird immer billiger und überhaupt, die Krise!

Ich bin gerade angefixt und gucke die amerikanische Fernsehserie „The Wire“ am Stück weg. Sie spielt in Baltimore, einer Hafenstadt an der Ostküste. Sie hat die höchste Mordrate und ist voller Drogen. Und die Nigger, die sich in der Serie alle mit „Nigger“ dissen, tragen XXXXL-Übergrößen und sagen, wenn sie auf der Straße herumlungern, immer: „Hey, yo!“ Das versuche ich jetzt auch Fup beizubringen. Besser, Baltimorisch zu sprechen als Balinern. Bei Fup hört es sich allerdings mehr nach „Hejo!“ an.

Sonst ist er auf einem guten Weg, sich „Respekt“ zu verschaffen. Als er nach Hause kommt, ich mich zu ihm herabbeuge und ihn begrüße mit „Hey, yo! Was geht ab?“, antwortet er „Hejo!“ und schon habe ich eine kleben. So war das eigentlich nicht gedacht, aber wie soll man das einem Zweijährigen erklären?

Auf der Elendsmeile Kottbusser Damm, die hier in der Gegend Baltimore noch am nächsten kommt, werden wir von einem Platzregen überrascht. Wir stellen uns unter die Markise eines Ramschladens, wo von Türken bevorzugte, bunt glitzernde Klamotten auf 15 Euro reduziert sind. Der Besitzer ist Thailänder oder so was Ähnliches und lungert im Eingang seines Ladens herum. Ich sage, dass heute wohl niemand mehr kommt. Die letzten paar Stunden sei das auch schon so gewesen, sagt er, gegenüber habe vor kurzem noch ein Laden aufgemacht, alles werde immer billiger und überhaupt, die Krise. Ich nicke verständnisvoll. Fup sagt: „Hejo!“

Auf dem Spielplatz redet eine Mutter ihrem Sohn, der gerade laufen kann, ins Gewissen. „Ich habe mich so auf dich gefreut. Wir könnten es so schön haben, und jetzt schlägst du deine Mutter!“ Der Junge steht da, als hätte er sich in die Hose gemacht. Mit seinem schlechten Gewissen kann er als Versager später dann mal nach Baltimore gehen und an Ecken herumlungern, falls das hier in Berlin nichts wird.

KLAUS BITTERMANN