piwik no script img

Ganz schön gut bestückt

MITTELALTER-TV Intrigen, Sex, Geschichtsunterricht: Der Sechsteiler „Borgia“ erzählt die Geschichte der mächtigen italienischen Familie. Heute startet er im ZDF (20.15 Uhr)

Geschichte gibt es reichlich – zu viel eigentlich in dieser Serie

VON DANIELA ZINSER

Wäre dieses TV-Event eine Sammlung von Standbildern, es wäre bezaubernd. Keiner müsste mehr in Berlin vor dem Bode-Museum anstehen, um die Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ zu sehen. Im Sechsteiler „Borgia“ im ZDF sind sie alle da: die hitzköpfigen Jünglinge, die rotgelockten Venusfallen, die hermelingewandeten Päpste, ganz wie bei Botticelli, Lorenzo Lotto, Bellini.

Aber diese sechs mal hundert Minuten, diese mit 25 Millionen mit die teuerste TV-Produktion Europas, dieses Mammutding mit 4.000 Komparsen, mehr als 120 Schauspielern aus 18 Nationen, es läuft und läuft und läuft. Sicher ist es beeindruckend, wie hier versucht wird, die Geschichte dieser Borgias zu erzählen, einer der einflussreichsten Familien im mittelalterlichen Italien, an der Schwelle zur Renaissance. Voll ist jede Folge von Intrigen, Machtspielen, Sex, Gewalt und Religion, manchmal auch ein bisschen Exorzismus, alles drin.

Und, das erfährt man nebenbei, diese Borgias waren legendär gut bestückt. So ist auch die Serie ein Bombast-Posing, um schon mal vorzulegen, wer am meisten zu bieten hat, schließlich zieht ProSieben im November mit der neunteiligen US-Produktion „Die Borgias“ nach. Das Thema ist, unschwer zu erkennen, dasselbe, die Hauptrolle ging an Jeremy Irons.

Im ZDF spielt John Doman, bekannt aus dem Krankenhausserienklassiker „Emergency Room“ und dem Drogenepos „The Wire“, diesen Rodrigo Borgia, der unbedingt Papst werden will und als Alexander VI. in die Geschichte eingeht.

Geschichte gibt es reichlich, zu viel eigentlich in dieser Serie. Es wimmelt nur so von Kardinälen, Fehden, Blutrache, man muss schon sehr genau aufpassen, wer da gerade gegen wen intrigiert. Weil er seinen anerkannten Sohn im Krieg verlor, holt Rodrigo nun seine drei illegitimen Kinder zu sich, die er mit seiner Schwägerin gezeugt hat. Der Älteste von ihnen, Juan, soll als Herzog von Gandia politische Macht sichern, der Mittlere, Cesare, wird Bischof und die Tochter, Lucrezia, gewinnbringend verheiratet.

Alle drei sind die perfekten Renaissancegesichter, allen voran Mark Ryder als Cesare. Stets unzufrieden und leicht cholerisch haut er einige Finger und Ohren ab, würgt tödlich, geißelt sich dafür aber ausreichend mit Peitschen und einem Nagel durch die Hand. Er fasst das so zusammen: „Ganz gleich, wo ich bin, es ringen immer zwei Elemente in mir: das Tier und der Erzengel. In den meisten Fällen gewinnt das Tier.“ Das ist als Charakter durchaus spannend, und dieser Cesare Borgia diente damals auch Machiavelli als Vorbild für seine „Il Principe“. Allein, seine Geschichte ist nur eine von vielen.

Die einzelnen Charaktere haben noch zu wenig Raum, um sich in den ersten beiden Folgen zu entfalten, die vorab schon zu sehen waren und bei denen Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) Regie geführt hat. Ausführlich werden die Machtspiele rund um die Papstwahl erzählt, dafür wurde extra die Sixtinische Kapelle in der Nähe von Prag nachgebaut.

Draußen toben unterdessen blutigste Gewalt, Vergewaltigungen, öffentliche Folter. Es war finster damals vor dem Umbruch zur Säkularisierung. Und gesprochen wurde offenbar so, dass man es auch prima als Inschriften verwenden konnte: „Der Tod meines Erstgeborenen hat mich wachgerüttelt wie die Glocke von Sankt Peter.“

Mehr zum Klingen kommt in den kommenden Folgen hoffentlich noch Lucrezia (Isolda Dychauk), deren Ziehmutter übrigens von Andrea Sawatzki gespielt wird, einer der wenigen deutschen Schauspieler im Team. Als aufmüpfige, sinnesfreudige junge Frau lernt Lucrezia schnell, ihre Weiblichkeit einzusetzen. Es ist das einzige Machtmittel, das ihr als Frau damals bleibt, um nicht zum Spielball männlicher Interessen zu werden. Überaus klug analysiert sie ihren zukünftigen Mann: „Sein Interesse an mir ist nur ein Spiegelbild seiner selbst.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen