Tschads Armee kämpft in Nigeria

BOKO HARAM Die islamistischen Rebellen verlieren eine wichtige nigerianische Stadt bei grenzüber-schreitenden schweren Kämpfen

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Zum ersten Mal hat die Armee des Tschad eine Stadt in Nigeria von der Islamistengruppe Boko Haram erobert. Das 85.000 Einwohner zählende Gambaru an der Grenze zwischen Nigeria und Kamerun fiel am Dienstag nach schweren Kämpfen unter tschadische Kontrolle. Zuvor hatten Kampfhubschrauber des Landes die Stellungen Boko Harams sturmreif geschossen.

Die Islamisten – und so gut wie alle Zivilisten – flohen aus Gambaru, das von der kamerunischen Nachbarstadt Fotokol nur durch eine 500 Meter lange Brücke über den Grenzfluss getrennt ist. Boko Haram versuchte am Mittwoch offenbar, hinter den vorrückenden tschadischen Einheiten die Grenze Richtung Kamerun zu überqueren und sich in Fotokol festzusetzen. Dort tobten am Mittwoch intensive Kämpfe. Die Kameruner behielten die Oberhand.

Der Tschad hatte am 17. Januar rund 3.000 Soldaten nach Kamerun entsandt, um von dort aus im Nordosten Nigerias gegen Boko Haram zu kämpfen. Zuvor hatten die Islamisten die strategisch wichtige nigerianische Stadt Baga am Tschadsee eingenommen. Das größte Kontingent der tschadischen Interventionstruppe rückte entlang der Straße vor, die von Tschads Hauptstadt N’Djamena durch den Norden Kameruns nach Nigeria führt. Der Einmarsch der rund 2.000 Soldaten in Gambaru markiert den Beginn des tschadischen Krieges gegen Boko Haram auf nigerianischem Boden. Weitere tschadische Einheiten stehen an der Grenze zwischen Nigeria und Niger, damit sich fliehende Islamisten nicht in das nördliche Nachbarland zurückziehen.

Bei der Schlacht um Gambaru starben nach tschadischen Angaben neun eigene Soldaten und über 200 Angehörige von Boko Haram. Man habe zahlreiche schwere Waffen erbeutet, die die Islamisten auf der Flucht zurückgelassen hätten, hieß es in einer Erklärung des tschadischen Generalstabs am Dienstagabend.

Flugzeuge der in N’Djamena stationierten französischen Luftwaffe halfen nach französischen Angaben, das Kampfgebiet zu überwachen. N’Djamena ist das Hauptquartier der französischen Sahel-Mission „Barkhane“ mit 3.200 Soldaten, die Islamisten in der gesamten Region bis nach Mali bekämpft.

In Fotokol starben beim Gegenangriff Boko Harams am Mittwoch mindestens zehn Menschen, berichteten kamerunische Sicherheitskreise; lokale Quellen sprachen von weitaus mehr Toten. Die Islamisten hätten die zentrale Moschee angezündet und zahlreiche Gläubige getötet.

Der tschadische Großangriff kommt weniger als zwei Wochen vor Nigerias Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Februar. Je erfolgreicher die Tschader gegen Boko Haram bestehen, desto deutlicher wird in nigerianischen Augen das Versagen der eigenen Streitkräfte.