Die Ermittler

Über den Fall Barschel streiten sich auch die Staatsanwälte. Heribert Ostendorf, der damalige Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein, wollte die Ermittlungen der Lübecker Staatsanwaltschaft nach zweieinhalb Jahren einstellen lassen. Sie entbehrten „eines inneren Sinns“ und würden sich auf „bloße Vermutungen“ stützen. Der Leiter der Lübecker Staatsanwaltschaft, Heinrich Wille, protestierte und setzte sich damit beim Justizministerium durch. Im April 1997 trat Ostendorf zurück.

Dabei waren Ostendorf und Wille einmal so etwas wie Freunde gewesen. Sie kannten sich aus der SPD, sie duzten sich. In Verlaufe der Streitigkeiten verbot Ostendorf Wille, über die Ermittlungen zu reden, außerdem strengte er ein Disziplinarverfahren gegen ihn an – unter anderem wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen. Wille seinerseits warf der Generalstaatsanwaltschaft vor, seine Ermittlungen zu torpedieren. So seien von dort Details wie eine Mafia-Spur an die Öffentlichkeit gelangt, die Todesdrohungen gegen einen Lübecker Staatsanwalt zur Folge hatten.

Als 1997 Ostendorfs Nachfolger Erhard Rex sein Amt antrat, stellte er das Disziplinarverfahren gegen Wille ein. Trotzdem blieb das Verhältnis zwischen der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig und der Staatsanwaltschaft Lübeck gespannt. Im Juni untersagte Rex seinem Untergebenen Wille, ein Buch über die Ermittlungen im Fall Barschel zu veröffentlichen. Die Sache liegt bei Gericht. Außerdem ermittelte der Generalstaatsanwalt gegen Wille wegen Missbrauchs von Dienstgebäuden für die Geburtstagsparty seiner Frau. Inzwischen räumte er allerdings ein, dass diese Vorwürfe hinfällig seien.

Rex und Wille reden nicht miteinander, bei der Bewertung von Barschels Tod treten sie als Gegenspieler auf. Während Wille das Ergebnis seiner Ermittlungen dahingehend beschreibt, dass die Mordtheorie immer wahrscheinlicher geworden sei, sieht Rex nur einen „vagen Tatverdacht“. In einer vergangene Woche veröffentlichten Stellungnahme hat der Generalstaatsanwalt die Argumente zusammengetragen, die gegen die Mordthese sprechen. Dabei wendet er sich gegen die Theorie eines Giftanschlags, für den Barschels Schuhe mit einem Lösungsmittel präpariert worden seien, um die Fußsohlen durchlässig für ein Kontaktgift zu machen. Wille hält es für vorstellbar, dass ein solcher Versuch unternommen worden ist. Allerdings habe es sich dann um einen „Plan B“ gehandelt, der nach der Präparation der Schuhe nicht weiterverfolgt worden sei, da Barschel schon über den Magen erfolgreich vergiftet worden war.

Auf Antrag der Familie Barschel prüft derzeit die Bundesanwaltschaft, ob sie neue Ermittlungen aufnimmt. Die Familie hatte immer an Mord geglaubt. WIE