MORGEN
: Wahrnehmen ohne Augen in einer Oper ohne Instrumente

In seinem Stück „Die Blinden“ von 1891 schildert der belgische Schriftsteller Maurice Maeterlinck das Ausgeliefertsein an ein unbekanntes Schicksal: Eine Gruppe von Blinden macht einen Ausflug in den Wald, angeführt von einem Priester. Als dieser sich von ihnen entfernt, um eine Lichtung zu finden, ohne zurückzukehren, versuchen sie erfolglos, ihre Lage zu meistern und sich zu orientieren. Überall lauert Bedrohung, ein Ausweg aus dem Dickicht scheint nicht in Sicht. Die aus Sibirien stammende junge Komponistin und Pianistin Lera Auerbach, derzeit Capell-Compositeur der Staatskapelle Dresden, hat aus dem Werk über Sensibilität und Wahrnehmung eine A-cappella-Oper für zwölf Sänger gemacht, die von der Kammeroper Berlin am 13. Oktober im Konzerthaus uraufgeführt wurde. Dem halbstündigen Musiktheaterstück, zu dem Auerbach selbst das Libretto verfasste, ist eine szenische Collage aus Maeterlincks naturphilosophischen Abhandlungen „Das Leben der Bienen“ und „Das Leben der Termiten“ als Prolog vorangestellt, in dem der Autor die Sozialstrukturen von Insekten mit menschlichen Gesellschaftsformen vergleicht. Heute und am Donnerstag kann man die beiden letzten Aufführungen der Produktion mit dem Vocalconsort Berlin erleben. TCB

■ „The Blind“: Konzerthaus, Gendarmenmarkt. Mittwoch und Donnerstag, 20 Uhr, 15 Euro