Der improvisierte Masterplan

Laut EU-Vereinbarung müssen alle Studiengänge bis zum Jahr 2010 auf Bachelor/Master umgestellt sein. Dafür ist es bei den Staatsexamina zu spät. Doch Juristen, Medizinern und Pädagogen ist klar, dass die Reform nicht mehr verhindert werden kann

VON LARS KLAASSEN

„Wir dürfen nicht verzweifeln.“ Mit dieser Aussage brachte Lieselotte Glage von der Universität Hannover, die am Niedersächsischen Verbundprojekt Bachelor-/Masterstudiengänge in der Lehramtsausbildung tätig ist, lakonisch die Stimmung vieler Juristen, Mediziner und Pädagogen auf den Punkt. Die Hochschulkonferenz (HRK) lud zum Kongress nach Berlin. Das Thema: „Zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Staatsexamina im Bologna-Prozess.“ Zum Abschluss stand fest, dass von einer Zukunft für das Staatsexamen nicht die Rede sein kann.

Die Weichen wurden bereits von den europäischen Bildungsministern gestellt. Sie haben beschlossen, einen europäischen Bildungsraum zu schaffen, in dem alle Hochschulabschlüsse vergleichbar sein müssen. Das Ziel lautet: Bis zum Jahr 2010 müssen alle Abschlüsse auf Bachelor/Master umgestellt sein. Vor allem Studiengänge, die mit Staatsexamen abschließen – Rechtswissenschaften, Medizin und Lehramt –, müssen grundlegend umstrukturiert werden. Das sind über 40 Prozent der Studienplätze in Deutschland.

Doch bisher ist wenig passiert. Mediziner und Juristen und Lehrer wehrten sich bislang gegen die Reform mit dem Argument, dass die bisherige Verflechtung von Studium und Ausbildung in der Praxis mit dem Bachelor-/Master-Modell nicht vereinbar sei. Mit dem Bachelor könne außerdem kein Abschluss geschaffen werden, der für das Berufsleben qualifiziere. Beim Lehramt ist das Problem anders gelagert: Dort wird über die Fülle der Modellprojekte geklagt. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es fünf verschiedene. Ein einheitlicher europäischer Hochschulraum ist auch bei den Pädagogen noch nicht in Sicht.

Doch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will den Prozess nun deutlich beschleunigen: „Es wird einen Bologna-Gipfel von Bund und Ländern geben.“ Dabei werde auch die Frage der künftigen Juristen- und Lehrerausbildung auf der Tagesordnung stehen sowie die Einrichtung von Tutoriensystemen an den Hochschulen. Den Teilnehmern der HRK-Konferenz war klar: Die neuen Abschlüssen kommen ohnehin. Statt Abwehr ist nun Gestaltung gefragt. „Aus vorsichtigem Skeptizismus ist vorsichtiger Optimismus geworden“, fasste Christian Wochele von der HRK zusammen, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Medizin präsentierte. Er fügte aber hinzu: „Wir haben viele Fragen, aber noch wenige Antworten.“ So wurde diskutiert, ob es sinnvoll sei, klinische Segmente ins Bachelorstudium aufzunehmen. Wie dadurch ein berufsqualifizierender Abschluss werden soll, ist aber nach wie vor offen.

Auch in der Arbeitsgruppe Rechtswissenschaft wurde eine Reihe neuer Ansätze diskutiert: Unter anderem wurde angeregt, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler gemeinsam bestimmte Veranstaltungen besuchen zu lassen. Das schaffe die gewünschte Interdisziplinarität und könne dem Bachelor ein klareres Profil verschaffen. Da andere Stimmen jedoch betonten, der Einheitsjurist müsse Ziel des Studiums bleiben, zeichnet sich auch hier noch kein Konsens über ein zukünftiges Modell ab.

Die Arbeitsgruppe Lehramt war sich darin einige, dass vor allem die Bildungsforschung gestärkt werden müsse, um die Lehrerausbildung reformieren und verbessern zu können. Pisa lässt grüßen. Konsens war auch, dass staatliche Eingriffe à la Staatsexamen lediglich die Verantwortung der Hochschulen unnötig einschränken.

Staatlicher Zielvorgaben und Zeitrahmen wird es aber auch weiterhin bedürfen. Nachdem sich die späte Erkenntnis Bahn gebrochen hat, dass die Bachelor- und Masterabschlüsse ohnehin kommen, bleibt kaum noch Zeit, praxistaugliche Studiengänge zu etablieren.