Möbel, die motivieren

Büros machen häufig krank, weil sie falsch eingerichtet sind. Wissenschaftler weisen den Weg zum gesunden Arbeitsplatz. Die richtige Einrichtung steigert auch die Produktivität: Knapp 40 Prozent der potenziellen Leistung werden bislang verschwendet

VON LARS KLAASSEN

Jeder dritte Arbeitsplatz in den deutschen Büros ist noch nicht optimiert und nicht gesund erhaltend gestaltet. Nach Meinung von Arbeitsmedizinern haben ein Großteil der Rückenleiden und 86 Millionen Fehltage hier ihre Begründung. Von den rund 36 Millionen Arbeitnehmern in Deutschland sitzt knapp die Hälfte, etwa 17 Millionen, im Büro. An den Hochschulen ist ihr Anteil noch höher. Für all diese Menschen – und ihre Arbeitgeber – hat Jörg Kelter vom Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) weitere schlechte Nachrichten: „Die Produktivität der Büroarbeit in Deutschland erreicht gerade mal 60,7 Prozent.“ Diese Zahl ist Teil einer Zwischenbilanz des „Office-Excellence-Checks“, den das Fraunhofer IAO im Rahmen eines Forschungsprojekts der Initiative „Neue Qualität der Büroarbeit“ (Inqa-Büro) entwickelt hat.

Online-Test fürs Büro

Zentraler Baustein dieses Forschungsprojekts ist ein Fragebogen im Internet (www.oexc.web-erhebung.de), mit dem Angestellte die Qualität ihres Arbeitsplatzes selbst bewerten können. Bislang haben rund 4.000 Personen an der Umfrage teilgenommen. Im Anschluss erhalten alle Teilnehmer eine Auswertung ihrer Antworten: Zur besseren Einordnung können die eigenen Werte mit Benchmark-Werten verglichen und entsprechende Verbesserungspotenziale identifiziert werden. Als Vergleichswerte stehen sowohl die Durchschnittswerte aller bisherigen Teilnehmer zur Verfügung als auch die Werte der „Besten“ in den einzelnen Themenblöcken.

Bei dieser Erhebung haben die Mitarbeiter des Fraunhofer IAO das „ganzheitliche“ Büro im Visier. Gefragt wird unter anderem nach Büroarbeitsplatz und Umfeld, Information und Technik sowie Arbeitsprozessen. Einen entscheidenden Anteil an der Effektivität der Arbeit im Büro hat laut Kelter die Einrichtung der Arbeitsplätze: „Wir haben festgestellt, dass mit steigender Qualität des Büros auch die Effektivität der Arbeit steigt.“ Das sogenannte Office-Design hat laut Studie einen Durchschnittswert, der etwa dem der durchschnittlichen Arbeitseffektivität gleicht: 60,2 Prozent. „Durch die Optimierung der Gestaltungs- und Ausstattungsqualität kann die Effektivität um bis zu 36 Prozent gesteigert werden“, sagt Kelter. „Die Mitarbeiter sind schon deshalb motivierter, weil ihnen die angemessene Einrichtung auch zeigt, dass sie etwas wert sind.“ Darüber hinaus sind es aber nicht zuletzt ergonomische Faktoren, die die Leistung jedes Mitarbeiters beeinflussen.

„Wer im Büro arbeitet, kann selber schon viel tun, um gesundheitlichen Schäden vorzubeugen“, betont Bruno Zwingmann, Geschäftsführer der Inqa-Büro. Das heißt in erster Linie: Auf den eigenen Rücken achten! „80 Prozent aller chronischen Rückenschmerzen sind auf eine Vernachlässigung der Rückenmuskulatur und dauerhaft falsche Körperhaltungen am Arbeitsplatz zurückzuführen“, weiß Zwingmann. Ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, Ruhe und Bewegung ist notwendig. Bewegung ist nicht nur gut für den Rücken, sondern für die gesamte Muskulatur, die Gelenke, den Kreislauf. Wer lange am PC sitzt, nimmt automatisch eine Zwangshaltung ein. Bei der dynamischen Arbeit hingegen, dem ständigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, wirken auf den Körper selbst erzeugte Kräfte, die ihm die gesunde Stütz- und Spannkraft erhalten. Auch können Muskeln den Wechsel von Anspannung und Entspannung weit länger durchhalten als die dauernde Anspannung bei statischer Arbeit. Arbeitsmediziner empfehlen deshalb, die Arbeit zu 60 Prozent im Sitzen, zu 30 Prozent im Stehen und zu 10 Prozent beim gezielten Umhergehen zu verrichten.

„Voraussetzung hierfür sind flexibel gestaltete Arbeitsplätze mit zusätzlichem Stehpult, aber besser noch mit automatisch höhenverstellbaren Steh-Sitz-Arbeitstischen“, so Zwingmann. Genügend Platz sollte die Arbeitsfläche ebenfalls bieten: Ist der Tisch ist für alle Büroaufgaben auf- und umrüstbar, ermöglicht dies eine flexible, aufgabenbezogene Arbeitsplatzgestaltung. Eine Erweiterung nach oben, in die „3. Ebene“, erhöht die rationelle Nutzbarkeit und Erreichbarkeit vom Sitzplatz aus, gibt Sichtschutz und schirmt Geräusche ab. Wer genügend Platz hat, muss sich nicht verrenken.

Besonders wichtig für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist der Stuhl, da auf diesem in der Regel die meiste Zeit verbracht wird. Die Rückenlehne sollte anatomisch geformt sein und mit Lordosenabstützung (Lordose = Krümmung der Lendenwirbelsäule nach vorn) versehen sein, die höhenverstellbar ist. Eine Abstützung der Lendenwirbel schont die Bandscheiben und ist angenehm entspannend, muss aber genau auf die individuellen Körpermaße (Wirbelsäule, Becken) eingestellt sein. Eine dynamische Rückenlehne wiederum, die bei jeder Bewegung nach vorne oder hinten mitgeht, stützt den Oberkörpers in jeder Sitzhaltung und sorgt damit für ermüdungsfreies Sitzen und störungsfreie Organversorgung.

Gute Gründe für den Kauf

Eine neue Qualitätsleitlinie für Büroeinrichtungen, die unter anderem von Inqa-Büro herausgegeben wurde, geht weit über die bisherigen Mindeststandards hinaus. „Quality Office“ formuliert neben generellen Qualitätskriterien für jede Büromöbelart spezielle Beurteilungskriterien, die den neuesten arbeits- und gesundheitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Wer den Chef zu einer Neuanschaffung motivieren möchte, hat dank Fraunhofer IAO ein gutes Argument mehr: Mit dem richtigen Mobiliar steigt die Produktivität. Kelter: „Bei solchen Aussichten muss man doch einfach reagieren.“

Wie ergonomische Büromöbel richtig genutzt werden, steht auf der folgenden Seite