Der Vermittler für Geiselfragen

Nein, ein Foto von ihm gibt es nicht. Ob sein Name wirklich Gerhard Conrad ist, weiß man auch nicht. So etwas gehört zum Metier der Geheimdienste, in diesem Fall des Bundesnachrichtendienstes (BND). Aber einiges ist von dem etwa 50-jährigen Doktor der Islamwissenschaften bekannt. Etwa 1,90 groß, volles schwarzes, leicht angegrautes Haar, Schnäuzer und kleiner Unterlippenbart, Träger einer randlosen Brille. Erstaunlich, dass er im Laufe der Zeit sein Äußeres kaum änderte.

Der Dienstag war ein großer Tag für ihn, obwohl er nirgends aufgetreten ist. Denn der Agent hat dafür gesorgt, dass der israelische Soldat Gilad Schalit nach fünf Jahren Gefangennahme durch die Hamas wieder frei ist. Conrad war es, der in jahrelanger klandestiner Arbeit den Austausch vermittelte.

Über Erfahrung in Austauschangelegenheiten verfügt Conrad mehr als genug. Er leitete von 1998 bis 2002 die BND-Residentur im syrischen Damaskus, arbeitete aber auch in Beirut. Ab 2006 war der Agent mit perfekten Arabischkenntnissen im Auftrag der Vereinten Nationen unterwegs, um mit der libanesischen Hisbollah die Bedingungen für die Rückkehr zweier verschleppter israelischer Soldaten auszuhandeln. Ihre Entführung hatte den Libanonkrieg ausgelöst. Conrad flog in 18 Monaten auf 100 Reisen mehr als 700.000 Kilometer zwischen New York, Beirut, Jerusalem und Europa. Am Ende hatte er Erfolg: 2008 übergab die Hisbollah die Leichen der Soldaten. Im Gegenzug kamen islamistische Kämpfer aus israelischer Haft frei und die Leichen Gefallener wurden herausgegeben. Seitdem heißt er auf arabischer Seite „Mr. Hisbollah“.

Der Mann verfügt „über Integrität, eiserne Geduld sowie diplomatische und organisatorische Fähigkeiten“, lobte ihn die Zeitung Ha’aretz. Er gilt als fairer Vermittler. Seine Rede sei ein wenig flapsig und voller ironischer Untertöne, erzählen Leute, die ihn kennengelernt haben. Er soll verheiratet sein, seine Frau arbeitet angeblich auch beim BND. Wo Conrad sich am Dienstag aufhielt, weiß man nicht. Was seine nächste Arbeit sein wird, ist unbekannt. Aber er könnte weiter für Schlagzeilen sorgen, in denen er selbst nicht vorkommt.

KLAUS HILLENBRAND

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