Der blockierte Kontinent

KRISE Griechenland streikt, Frankreich wankt, Europa bangt, Schäuble laviert. Und der Athener Finanzminister Venizelos warnt vor dem „Tod der griechischen Wirtschaft“

BERLIN afp/taz | Griechenland wehrt sich weiter gegen die dem Land verordneten drastischen Sparmaßnahmen. Gewerkschaften des öffentlichen wie des privaten Sektors organisierten die bislang größten Protestdemonstrationen seit Beginn der Finanzkrise. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich am Mittwoch über 125.000 Menschen an den Kundgebungen.

Das öffentliche Leben war in weiten Teilen Griechenlands durch einen Generalstreik lahmgelegt. In Athen zogen 70.000 Demonstranten in vier Kolonnen zum Parlament am Syntagmaplatz. Mindestens 3.000 Polizisten waren mobilisiert. Am Syntagmaplatz attackierten rund 200 jugendliche Demonstranten eine Metallbarriere. Protestteilnehmer warfen Brandsätze und Steine, die Polizei setzte Tränengas ein. Der Protest richtet sich gegen die für Donnerstag im Parlament geplante Verabschiedung eines neuen Sparpakets, das unter anderem die schrittweise Entlassung von 30.000 Staatsbediensteten vorsieht.

Zahlreiche Flüge fielen wegen eines Streiks der Fluglotsen aus. In Nordrhein-Westfalen mussten sich rund 4.000 Fluggäste auf Änderungen im Flugplan einstellen Auch das Fußballteam von Borussia Dortmund, das am Mittwochabend in der Champions League gegen Olympiakos Piräus spielte, könnte bei seiner Rückreise von der Streikwelle betroffen sein.

Griechenland wartet auf neue Finanzhilfen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Abschlussbericht der Experten der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), IWF und EU-Kommission für die Auszahlung der nächsten Kredittranche wird in den kommenden Tagen erwartet. Die bisherigen Rettungspakete zeigten kaum Wirkung.

In der EU wird befürchtet, dass ein Mitgliedstaat den nächsten mit in die Krise reißt. Als letzte der drei großen Ratingagenturen hatte Moody’s am Dienstag die Kreditwürdigkeit Spaniens herabgestuft. Auch Frankreich drohte die Agentur, das Spitzenrating „AAA“ abzuerkennen. In Portugal riefen die größten Gewerkschaften für den 24. November zu einem Generalstreik gegen Sparmaßnahmen der Regierung auf.

Die Reichweite des Europäischen Rettungsfonds EFSF soll offenbar ausgedehnt werden. Darauf sollen sich Deutschland und Frankreich im Vorfeld des EU-Gipfels am Wochenende geeinigt haben. Das Finanzministerium in Berlin dementierte aber Berichte, wonach Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) konkrete Zahlen über die Ausweitung genannt haben soll.

Wie sich Menschen gegen eine durch neoliberale Ideologen beförderte Staatspleite zur Wehr setzen können, zeigt der taz-Report „Als nichts mehr ging, ging alles weiter“ zu Argentinien: Im Jahr 2002 erklärte das Land seine Zahlungsunfähigkeit, was den Grundstein legte für Umschuldung und Neuanfang.

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