Erhellte Momente

Der Bremer Journalist und Filmemacher Wilfried Huismann deckt in seiner Dokumentation „Schnappschuss mit Che“ die Fälschung eines Fotos auf, das im Zusammenhang mit der Ermordung von Che Guevara steht. Morgen läuft der Film in der ARD

von WILFRIED HIPPEN

Wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, wollen viele Menschen, die in der Zeitgeschichte eine Rolle gespielt haben, Zeugnis ablegen. Sie haben sich zur Ruhe gesetzt, die Konflikte von einst sind längst vergangen, und sie machen sich Gedanken darüber, wie man ihre Taten nach ihrem Tod bewerten wird. Also schreiben sie Memoiren oder erzählen vor den Kameras von Dokumentarfilmern ihre Versionen der historischen Begebenheiten. So gab etwa der einstige kalte Krieger Robert McNamara in „The Fog of War“ von Errol Morris eine faszinierende Inneneinsicht in die Mechanismen der US-Außenpolitik der 1960er Jahre.

Der Bremer Filmemacher Wilfried Huismann hat diese Methode der oral history perfektioniert. 2000 erzählte er in „Lieber Fidel – Maritas Geschichte“ zum ersten Mal von der Geschichte Kubas, indem er die Aussagen von Marita Lorenz, der ehemaligen Geliebten von Fidel Castro, ins Zentrum seines Filmes stellte. Als investigativer Journalist befragte er auch andere Zeitzeugen, suchte in Archiven nach Belegen, und hinterfragte jede einzelne Aussage seiner Protagonistin.

Aus den Kontakten und losen Enden dieser Recherche entwickelten sich dann andere Filmprojekte wie „Verrat in Santiago – Wer erschoss Salvador Allende“ und im letzten Jahr „Rendezvous mit dem Tod: Kennedy und Castro“, in dem wiederum Zeitzeugen die umstrittene, aber im Film durchaus schlüssige These belegten, dass Lee Harvey Oswald im Auftrag der Kubaner den Präsidenten der Vereinigten Staaten tötete.

Nach dieser aufwendigen Dokumentation im Kinoformat hat Huismann für seinen Haussender WDR nun wieder eine kleinere, 45-minütige Fernsehproduktion abgeschlossen, die am Dienstag Abend um 20 Uhr im Bremer Kino Schauburg zum ersten Mal gezeigt wird. Nur dort kann man ihn in der Highdefinition-Qualität sehen, in der inzwischen fast alle TV-Dokumentationen gedreht werden, obwohl es in Deutschland noch gar keine entsprechenden Sendekanäle gibt. Am Mittwoch um 22.45 Uhr wird „Schnappschuss mit Che“ dann im ersten Programm der ARD ausgestrahlt.

Auch hier geht es wieder um einen Schlüsselmoment in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Im Oktober 1967 wurde Che Guevara in den Bergen Boliviens gefangen genommen und erschossen. Félix Rodríguez war damals der leitende CIA-Agent, unter dessen Leitung diese Aktion erfolgte und Dariel Alarcón, den alle Benigno nannten, war einer der wenigen von Guevaras Kampftruppe, die damals entkamen. Später gehörte er zu einem der Killerkommandos, die von Castro ausgeschickt wurden, um Rodríguez zu töten. Im Rentenalter wurden die beiden Todfeinde von einst Freunde, die sich mittlerweile mehrmals im Jahr in Paris treffen, und gerne vor Huismanns Kamera über die damalige Zeit plaudern.

Beide haben auch Bücher mit ihren Erinnerungen verfasst, und Rodríguez ist besonders stolz auf ein Foto, in dem man ihn neben dem gedemütigten Guevara sieht, dem er vertraulich den Arm um die Schultern legt. Er erzählt auch viel davon, wie er und sein berühmter Gefangener ritterlich dessen letzten Stunden miteinander erlebten, und wie dieser ihn bat, letzte Grüße an seine Frau und Kinder zu überbringen.

Als guter Journalist überprüfte Huismann diese Aussagen, und fand bald einen ehemaligen CIA-Experten, der das Bild als eine Fälschung erkannte, sowie mehrere Zeitzeugen, die übereinstimmend aussagten, Guevara hätte Rodríquez nur angespuckt, und dieser wäre beim Tod von Che gar nicht dabei gewesen.

Dramaturgisch geschickt lässt Huismann die Dokumentation der Chronologie seiner Recherche folgen. So konfrontiert er vor laufender Kamera Rodríguez mit seinen Ergebnissen, und zeigt auch, wie enttäuscht Benigno von den Lügen seines Freundes ist.

Aber diese Aufdeckung, durch die ein Detail in der inzwischen längst mythischen Geschichte um den Tod von Che Guevara korrigiert werden kann, ist letztlich gar nicht so wichtig. Sehenswert an Huismanns Film ist dagegen, wie eine Handvoll von inzwischen alten Männern über ihre damaligen Erlebnisse erzählen, und wie diese sie verändert haben. So ist die wirklich tragische Gestalt des Films nicht Guevara, sondern sein einstiger Kampfgefährte Packo, der damals gefangen genommen und aus mysteriösen Gründen nicht hingerichtet wurde. Huismann fand ihn in einem Armenviertel von Caracas – ein gebrochener Mann, der vielleicht am ehrlichsten von damals erzählt, weil er für immer als der Judas des heiligen Che gilt.

tazzwei SEITE 14