Umweltminister bringt Basis auf Kohlekurs

Die SPD in Krefeld hat gegen den Neubau eines Kraftwerkes gestimmt. Jetzt bekam sie Nachhilfe von Sigmar Gabriel

KREFELD taz ■ Lokalpolitische Niederungen sind eigentlich kein Thema für einen Bundesminister. Das sieht auch Sigmar Gabriel so. „Liebe Genossinnen und Genossen, das ist eure Entscheidung“, rief der Bundesumweltminister am Montagabend dem SPD-Unterbezirksparteitag in Krefeld zu. Doch dann folgte eine Rede, die sehr wohl die Basis wieder auf Kurs bringen sollte.

Denn die sozialdemokratischen Ratsherren hatten zusammen mit den Grünen und der regierenden CDU im vergangenen März in einer bundesweit aufsehenerregenden Entscheidung gegen den Bau eines 800-MW-Steinkohlekraftwerkes im Stadtteil Uerdingen gestimmt. Das von dem Energieversorger Trianel geplante Kraftwerk wollten damals keine der im Rat vertretener Parteien mit Ausnahme der FDP. Tausende Kilogramm Schwermetalle, 400 Tonnen Staub und jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 würde das geplante Kraftwerk in die bereits stark belastete Luft blasen. Alternativ dazu schlug man den Planern die Errichtung eines saubereren Gasturbinenkraftwerkes vor.

Doch in der örtlichen SPD gärte es in den darauf folgenden Monaten. Schließlich wollte man es sich nicht mit dem größten Arbeitgeber der Stadt, der Bayer AG, verderben. Dieser Logik folgend, formulierten die parteiinternen Gegner eines Kohlekraftwerkes einen gemäßigten Gegenantrag. Man wolle Trianel die Errichtung eines 400-MW-Blocks gestatten.

Nicht nur in Krefeld gebe es diese Debatte, sagte Gabriel den GenossInnen aus Krefeld. Sondern auch in Berlin, in der EU, der UNO, also überall auf der Welt. Und die Bundesregierung tue schon alles Erdenkliche, um das Klima zu retten. Der Anteil regenerativer Energie nehme mehr zu als unter Rot-Grün. Bis zu 30 Prozent der Energieversorgung will Gabriel damit in Zukunft decken.

Doch dann begann die Verteidigung der Kohle. Womit sollen die anderen 70 Prozent Energie erzeugt werden? Erdgas sei zu teuer. Und aus der Atomenergie sollte Deutschland aussteigen, sagte er mit drohendem Unterton, um dann einen Kalauer hinterherzuschicken. „Photovoltaik funktioniert nicht immer. Manchmal ist es auch Nacht.“

Dann erklärte der Mann aus Berlin den komplizierten Emissionshandel. Dazu ließ er sich ein Glas Mineralwasser bringen, trank nach jedem Satz einen größeren Schluck daraus. „Am Anfang haben wir der Industrie noch viel CO2 zugebilligt.“ Aber – wie sich das Glas allmählich leerte, so nähmen auch die erlaubten Emissionen ab. Das verteuere die Verschmutzung.

In einigen Jahren könne sich die Industrie daher keine Dreckschleudern mehr leisten. Deshalb solle man sie bei der Modernisierung des Kraftwerkparks unterstützen. Gerade Trianel, einem Zusammenschluss kommunaler Energieversorger, solle man helfen, gegen die großen Strommultis konkurrenzfähig zu werden. Deshalb seien auch die 800 MW zu befürworten. „Wenn in Spanien der Strom knapp wird, weil die Staudämme leer sind und in Frankreich die AKWs mangels Kühlwasser abgeschaltet werden, braucht Europa Strom aus Deutschland.“

Auch zur Feinstaubproblematik nahm Gabriel Stellung. „Nicht die Kraftwerke haben hier den größten Anteil, sondern der Autoverkehr und seit neuestem die Verfeuerung von Holzbrennstoff.“ Gabriel hatte Erfolg. Die Delegierten schlossen sich dem Votum des Gastes aus Berlin an. 79 der 135 GenossInnen stimmten für den Bau des 800-MW-Blocks.

Das bedeutet aber nicht, dass nun ein Steinkohlekraftwerk in Krefeld gebaut wird. CDU und Grüne verfügen in diesem Punkt, obwohl sie nicht gemeinsam regieren, über die absolute Mehrheit im Rathaus.

LUTZ DEBUS