Integration ist doch erfolgreich

Integrative Regelklassen an Grundschulen nehmen schwache Schüler von anderen Schulen auf. Nur deshalb, sagt der Verband für Integration, schneiden sie bei Vergleichen schlechter ab

VON KAIJA KUTTER

Die These, dass Integrative Regelklassen (IR) in Vergleichen schlechter abschneiden als normale Grundschulklassen, stößt auf Kritik. „Ich widerspreche der Darstellung“, wie sie kürzlich der Erziehungswissenschaftler Wulf Rauer gegenüber der taz hamburg vertreten hatte, sagte gestern Angelika Fiedler, Vorsitzende des Verbandes für Integration an Hamburger Schulen“ (VIHS). Darin sind Schulen mit Integrations- und IR-Klassen und ihre Mitarbeiter organisiert.

Rauer hatte zusammen mit seinem Uni-Kollegen Karl-Dieter Schuck die Daten der Grundschulstudie Kess, mit der im Jahr 2003 alle Viertklässler getestet wurden, für eine Analyse der integrativen Schulformen verwendet. Bereits 1996 war mit der so genannten Lernausgangsuntersuchung (LAU) eine ähnliche Studie durchgeführt worden. Im Vergleich dazu, sagt nun Fiedler, „haben die IR-Klassen deutliche Fortschritte gemacht“. So hätten die IR-Schüler seinerzeit bei der Rechtschreibung gegenüber dem Hamburger Durchschnitt um ein Lernjahr zurück gelegen. Inzwischen sei es noch ein Vierteljahr. Dieser Bereich sei so bedeutsam, weil man davon ausgehe, dass Fortschritte hier besonders von der Schule verantwortet würden.

Dass die 36 IR-Schulen in den Ergebnissen unter dem Landesschnitt liegen, kann nicht verwundern: Sie wurden von der Schulbehörde zumeist gezielt in so genannten sozialen Brennpunkten eingerichtet. Schuck und Rauer kamen nun zu dem Befund, dass auch solche Vergleichsschulen, die von der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft her sehr ähnlich sind, besser abschnitten.

Hier widerspricht der VIHS. IR-Schulen ließen sich nicht mit den anderen vergleichen, weil diese „keine Förderkinder mehr haben“, sagt Fiedler. Es gehört in der Tat zum IR-Konzept, dass Kinder mit Lernbehinderungen in der Klasse behalten und nicht zur Sonderschule abgeschult werden. Obendrein, sagt Fiedler, nähmen die IR-Schulen immer mehr leistungsschwache Kinder aus Nachbarschulen auf. Ohne diese so genannten „Wechsler“ – nach Angaben des Landesinstituts für Lehrerbildung bei Kess zum Ende der Klasse 4 immerhin jeder sechste IR-Schüler – seien die erreichten Lernstände der IR-Kinder auch im Bereich Lesen und Mathematik höher als in der Kess-Studie ermittelt.

Die beiden Schulforscher hatten zudem angemerkt, dass IR-Schulen viele Sitzenbleiber hatten. Auch dies erklärt sich für den VIHS durch die Kinder aus Nachbarschulen. Allerdings weisen Rauer und Schuck in ihrem Aufsatz darauf hin, dass ihnen leider keine Daten über die „Selektionsstrategien“ der verglichenen Schulen vorlägen. Die beiden Schulforscher sind ebenso wie Fiedler Befürworter der Integration und fordern, diese zu verbessern. Brisant ist ihre schon vor über einem Jahr vorgelegte Studie, weil jetzt die CDU-Bürgerschaftsfraktion, die die IR-Schulen schon seit Jahren abschaffen will, per Großer Anfrage an den Senat darauf einging.

Um argumentativ gerüstet zu sein und die Arbeit zu verbessern, haben die Schulen nun selbst eine Längsschnitt-Untersuchung für alle vier Schuljahre beim Landesinstituts für Lehrerbildung in Auftrag gegeben: Für diese „Erhebung der Lernausgangslagen und der Lernentwicklung von Kindern in Integrativen Regelklassen“ (Elli) wurden 2006 zunächst die Daten aller Erstklässler von 32 IR-Schulen erhoben. Erstes Ergebnis: Bei jedem neunten Kind lag eine Vernachlässigung vor. „Wir stellen fest“, sagt Fiedler, „dass sich die schwierige Klientel bei IR ballt.“