Jukebox

Der Rock nach seinen Flegeljahren: hilflos

In diesem Text soll eine Frage gestellt und eine weitere geklärt werden. Um grüne Flaschen geht es, und wo das Neue bleibt?

Aber erst einmal muss man sich um Joe Cocker kümmern, den Rocksänger, der in Fachkreisen etwas an allgemeiner Geringschätzung leidet, weil er nichts eigenes vorzuweisen habe bis auf diese Stimme und sein Mit-den-Armen-Herumrudern auf der Bühne. Was ihn immer so hilflos aussehen lässt. Was der Publikumskreis schätzt. Jedenfalls hat er pfundweise Platten verkauft, die heute als abgesunkenes Kulturgut auf den Flohmärkten zu finden sind.

Schön ist es natürlich, dass Cocker und Covern im Alphabet so nah beieinander stehen, weil Cover (das Nachsingen fremder Lieder) fast den gesamten musikalischen Output Cockers stellen. Programmatisch bereits sein erster Großhit, die rührende Version von dem Beatles-Lied „With a Little Help from My Friends“, und damit darf man Joe Cocker auch schon aus diesem Text verabschieden, nur noch mit dem Verweis auf sein Konzert am Montag in der Max-Schmeling-Halle und das Matrosenlied „Sail away“, das er einst sang, woraufhin das Schiff mit seinen grünen Segeln blähte, was an ästhetischem Feingefühl allerunterste Schublade ist. Ich wundere mich, wieso – die erste Frage – Clubgänger immer noch nach den kleinen grünen Flaschen von Beck’s am Tresen fragen.

Und das Neue? Kommt nicht mehr. Wird vielleicht klarer, wenn man die Rockgeschichte als Entwicklungsroman schreibt. Als Rock noch ein Kind war, galt das Cover als Selbstverständlichkeit. Nachahmend lernt man. Die Beatles, die Stones…Anfang der 60er coverten sie alle. Aber das Kind wurde älter und wollte Eigenes machen. Eigene Lieder. Jetzt meinte ein Cover nicht mehr notengetreue Nachahmung, sondern Interpretation, mit der sich Rock in seiner Adoleszenz an der Vergangenheit abarbeitete (man höre das Beatles-Cover vom ersten Yes-Album, 1969). Noch mal später distanzierte man sich im Cover von der Vätergeneration, dekonstruierte deren Verdienste (Devo 1978 mit „Satisfaction“). Dann war Rock endlich erwachsen. Jetzt durfte er machen, was er wollte. Leider tat er es. Any-thing goes meinte dazu die Postmoderne Anfang der 80er, und eben das ist unhintergehbar: Wo alles möglich ist, sind auch die Verbindlichkeiten abgeschafft. Wie sollte so stilbildend Neues in der Rockmusik möglich sein?

Gecovert wird aber im Moment, was das Zeug hält. Es meint längst alles und mehr noch nichts. THOMAS MAUCH