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EIN HAUCH VON FLIEDERDer Parfumeur

Etwas holzig- herb in der Basisnote

Ein Mann, Mitte 40, gepflegtes Äußeres, spricht mich am Tresen an: „Ekelhaftes Wetter da draußen. Dieser ständige Schneeregen. Dieses nasskalte Grau. Das schlägt einem aufs Gemüt. Irgendwann wandere ich nach Brasilien aus. Waren Sie schon mal dort?“ – „Ist schon lange her“, sage ich. „War mal drei Monate da. Ein großartiges Land mit wunderbaren Menschen. Was wollen Sie denn dort machen?“

„Ich würde gerne in Rio eine Parfümerie eröffnen. Ich besitze bereits eine in Mitte. Die würde ich verkaufen. Wissen Sie, ich verkaufe nicht nur Düfte, ich kreiere sie. Ich bin ein Parfümeur. Kennen Sie sich mit Düften aus?“

„Nicht wirklich“, sage ich. „‚Das Parfüm‘ von Süskind habe ich gelesen und Marcel Prousts ‚Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‘.“ Der Fremde stellt sich eine Spur zu dicht an mich heran, schaut mir für ein paar Sekunden zu lange in die Augen. Er fragt: „Weshalb Proust?“ Ich antworte: „Ach, da gibt es einige Passagen über den Duft des Weißdorns und wie dieser ihn an seine Kindheitsspaziergänge erinnert.“„Das ist ja hochinteressant“, sagt der Fremde.

„Morgen werde ich mir den Proust kaufen. Sie riechen übrigens äußerst attraktiv, wenn ich das sagen darf. Ich würde gerne einen Duft für Sie kreieren. Nur für Sie. Kommen Sie doch in mein Geschäft. Hier ist meine Karte.“ „Wie würde mein Parfüm denn riechen?“, frage ich. Er schaut mich an und sagt: „Etwas holzig-herb in der Basisnote, in der Herznote ein paar feine süße Blütennuancen und in der Kopfnote ein flüchtiger Anhauch von Flieder und Bergamotte.“ – „Klingt ja spannend,“ sage ich. Wir trinken noch ein Bier. Der Mann philosophiert über gemeine, dreckige und gar über hinterhältige Düfte.

Irgendwann berührt er meine Hand. Ich ziehe sie zurück. Er versteht, bedrängt mich nicht. Zum Abschied wiederholt er die Einladung in seine Parfümerie.

ALEM GRABOVAC

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