Kommt der Grexit noch im Februar?

SZENARIO Tsipras will ein laufendes EU-Hilfsprogramm nicht verlängern. Der Bundesregierung missfällt das. Ändert Berlin seine Haltung nicht, könnte Griechenland schon sehr bald zahlungsunfähig sein

Die Eurogruppe fordert eine Lösung binnen einer Woche

BRÜSSEL taz | Nette Worte können bedrohlich klingen – vor allem, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Montag so ein schrecklich nettes Wort. „Europa wird Griechenland so lange respektieren, wie Griechenland auch Europa respektiert“, kommentierte er die Regierungserklärung von Premier Alexis Tsipras.

Die EU-Kommission bemühe sich weiter um eine vorteilhafte Einigung, sagte Junckers Sprecher. Doch Tsipras müsse wissen, dass alle 19 Euroländer mitmachen müssen. Zu gut Deutsch: Wir würden dir ja gerne helfen, aber ohne Deutschland wirst du nichts erreichen!

Tsipras hatte eine Verlängerung des laufenden EU-Hilfsprogramms abgelehnt und Kriegsreparationen von Deutschland gefordert. Beide Forderungen stoßen im offiziellen Berlin auf harte Ablehnung. „Ohne Programm ist es für Griechenland schwierig“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Schäuble hatte Tsipras Amtsvorgänger Antonis Samaras die Verlängerung des laufenden Hilfsprogramm aufoktroyiert. Es ist an zahlreiche Spar- und Reformauflagen gebunden, die von der Troika überwacht werden. Damit möchte Tsipras nun brechen. Wenn die Bundesregierung bei ihrem Nein bleibt, könnte Griechenland schon Ende Februar zahlungsunfähig werden und sogar aus dem Euro fliegen. Genau auf dieses Szenario bereitet sich bereits die britische Regierung vor. Premier David Cameron berief am Montag eine Krisensitzung ein, um das Königreich vor negativen Folgen eines „Grexit“ zu schützen. Ähnliche Vorbereitungen hatte es schon einmal auf dem Höhepunkt der Krise 2012 gegeben. London ist nicht im Euro, als größter Finanzplatz Europas aber indirekt betroffen.

An den Finanzmärkten sorgte dies für Unruhe. An der griechischen und der deutschen Börse ging es bergab. Dabei meldete die deutsche Industrie am Montag einen neuen Exportrekord. Demgegenüber hat die griechische Industrie im siebten Jahr hintereinander ihre Produktion gedrosselt.

Wie soll es nun weitergehen? Am Montag sondierten zwei Emissäre der EU die Lage in Athen. Am Mittwoch trifft sich die Eurogruppe in Brüssel zu einer Krisensitzung. Wenn Finanzminister Janis Varoufakis dann dieselben Positionen vertritt wie Tsipras (daran gibt es wenig Zweifel), wird es eng. Denn die Eurogruppe fordert eine Lösung binnen einer Woche.

Dabei deuten sich zwei Fronten an: Deutschland und andere Hardliner wie die Niederlande und Finnland einerseits, Frankreich und die EU-Kommission andererseits. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin hat schon signalisiert, dass er für eine Zwischenfinanzierung Griechenlands offen sei: „Wir müssen die Wahl der Griechen genauso respektieren wie die EU-Regeln.“

ERIC BONSE