Ohne Mist und ohne Gülle

VEGAN Bei der Tierhaltung scheiden sich die Geister der Öko-Akteure. Ist bio-vegane Landwirtschaft die Lösung?

■ 7,9 Millionen Menschen, etwa zehn Prozent der Bevölkerung, ernähren sich vegetarisch. Dazu kommen noch mal rund 900.000 Veganer.

■ 2013 gibt es 23.484 Biohöfe in Deutschland. Das sind 8 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe.

■ 2013 lag der Bioumsatz in Deutschland bei 7,55 Milliarden Euro – eine Steigerung um 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

■ Rund 9 Prozent der gekauften Eier in Deutschland kommen aus Ökohaltung.

■ Biofleisch hat einen Marktanteil von lediglich 2 Prozent. (us)

Quellen: VEBU, BÖLW, Foodwatch

VON ULRIKE SCHATTENMANN

Eine Mayonnaise ohne Ei und Laktose, ein Brotaufstrich, gemixt aus heimischen Süßlupinen, Zwiebeln und Knoblauch – das sind nur zwei von vielen neuen veganen Produkten, die auf der Biofach präsentiert werden. Zum ersten Mal gibt es auf der weltgrößten Messe für Bioprodukte einen Schwerpunkt zum Thema „Vegan“, mit Showküche, Büchertisch, Mode und Diskussionsrunden.

Immer mehr Menschen ernähren sich rein pflanzlich, inzwischen wächst auch unter Teilzeitvegetariern das Interesse für diesen Lebensstil. Die Erkenntnis, dass sich mit dieser Zielgruppe Geld verdienen lässt, setzt sich langsam, aber sicher durch. Laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) wuchs der Umsatz vegan deklarierter Lebensmittel in deutschen Bioläden in den letzen Jahren zweistellig.

Zwar kaufen nicht alle Veganer Ökoprodukte, aber vielen ist nachhaltige und umweltfreundliche Lebensmittelproduktion ein Anliegen. Sie legen Wert darauf, dass Karotten, Äpfel, Birnen ohne Pestizide und synthetische Düngemittel angebaut werden und Tofu keine gentechnisch veränderten Sojabohnen enthält.

Sind also Bio und Vegan das perfekte Paar? Nicht ganz. Beim Thema Tiere scheiden sich die Geister. Für Veganer ist Tierhaltung tabu, selbst nach den strengen Kriterien von Verbänden wie Bioland, Naturland und Demeter. Rinder, Schweine und Hühner leben dort zwar unter weitaus besseren Bedingungen als in der industriellen Massenzucht. Sie haben mehr Platz, stehen auf eingestreuten Stallflächen anstatt auf Betonboden und dürfen an die frische Luft.

Aber aus Sicht insbesondere ethisch motivierter Veganer zählt das nicht. Tiere leiden beim Transport und bei der Schlachtung, egal ob bio oder nicht, lautet ein Argument. Selbst das Legehuhn, das im Grünen picken und scharren darf, verdankt sein Leben nur der Tatsache, dass es weiblich ist. Als männliches Küken aus dem Ei geschlüpft, wäre es sofort geschreddert worden. „Eine wirtschaftliche Tierhaltung kann Tieren nie ein uneingeschränktes Lebensrecht ermöglichen und ist daher mit der veganen Idee unvereinbar“, sagt Sebastian Zösch, Geschäftsführer des Vegetarierbunds Deutschland (VEBU).

Trotzdem schließen sich vegane Lebensweise und Ökolandbau nicht aus. Man muss ja nicht zwingend Tiere halten – außer man ist Mitglied im anthroposophischen Demeter-Anbauverband. Dort ist Tierhaltung Pflicht. Die Richtlinien anderer ökologischer Anbauverbände sowie die EG-Öko-Verordnung lassen diesbezüglich freie Hand. „In der Praxis sind inzwischen viele Biohöfe reine Pflanzenbaubetriebe“, so Zösch.

Inzwischen gibt es sogar Landwirte, die ausdrücklich bio-vegan produzieren. Das heißt, sie verzichten auf jegliche Form tierischer Düngemittel, die im Ökolandbau eingesetzt werden dürfen. Also nicht nur auf Mist, sondern auch auf organische Handelsdünger wie Hornmehl- oder Federmehlpellets.

Stattdessen setzen sie auf Stoffwechselprozesse zwischen Boden und Pflanzen. So wie die Mitarbeiter der Solidarischen Landwirtschaft Wildwuchs e. V., eines kleinen Betriebs mit Gemüsegärten, Äckern und Streuobstwiesen in der Nähe von Hannover. Hier wird grün gedüngt. Das heißt, dass auf brachliegenden Flächen bestimmte Pflanzen angebaut werden, deren Wurzeln den Boden lockern und nützliche Mikroorganismen und Lebewesen fördern. Um die Versorgung mit Phosphor sicherzustellen, kaufen die Gärtner zusätzlich von einem Biobauer Ackerbohnenschrot zu, den sie dann in den Boden einarbeiten. Noch schaffen es die wenigsten veganen Landwirte, ihre Düngepflanzen komplett selbst zu erzeugen, so wie es das Kreislaufprinzip der Biolandwirtschaft vorsieht.

Das klingt aufwendig und planungsintensiv, ist aber für die bio-veganen-Bauern die logische Weiterentwicklung des Ökogedankens. „Ökolandbau ist ein Muss, wenn wir als Menschheit überleben wollen. Vegane Ernährung oft die Konsequenz. Wer das zu Ende denkt, verzichtet eben nicht nur auf Fleisch, sondern auf alles, was von Tieren unter schrecklichen Bedingungen abgezwungen wird“, sagt Barbara Gibas, die sich als Vorstand der Gemeinschaftsgärtnerei um die Pressearbeit kümmert. „Wir zeigen, dass es anders geht, und sind damit erfolgreich.“

Es braucht vielleicht eine Portion Idealismus, um bei der Nahrungsmittelproduktion so konsequent auf tierische Erzeugnisse zu verzichten. Noch gibt es sehr wenige solcher Betriebe im deutschen Sprachraum, vielleicht zwei Handvoll, sagt Anja Bonzheim. Sie hat im Rahmen ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde die bio-vegane Landwirtschaft in Deutschland untersucht. „Es ist eine Nische im Ökolandbau, aber eine mit Potenzial“, sagt sie.

„Eingefleischte“ Biobauern sehen das natürlich anders. Nutztierhaltung gehört für sie zur ökologischen Landwirtschaft dazu. Bio-vegane Landwirtschaft könne für einzelne Betriebe eine machbare Lösung sein, nicht aber für die Gesamtheit der Bewirtschaftung, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Biolandwirt, Agrarwissenschaftler und Vorstandsmitglied des BÖLW. „Die Nährstoffversorgung der Pflanzen sei nun mal schwierig, „insbesondere bei leichten Böden und selbst, wenn Stickstoff sammelnde Pflanzen angebaut werden“. Außerdem berücksichtige dieser Ansatz nicht, dass viele Agrarflächen auf der Welt Grünland sind, auf denen der Anbau von Feldfrüchten gar nicht möglich sei – anders als etwa Großbritannien, woher der bio-vegane Ansatz stammt. Ohne Nutztiere kann auf diesen Flächen keine Nahrung für Menschen gewonnen werden, so zu Löwenstein. Weidegras könne man als Mulch einsetzen, die Gründüngung weiter optimieren, entgegnen hierauf Befürworter wie Bonzheim.

Einig sind sich die beiden Fraktionen, dass die Schnittmengen zwischen Veganern und Biolandwirten größer sind als die Gräben. Der Vegetarierbund VEBU kennt ohnehin wenig Berührungsängste. Man habe erst kürzlich einen bekannten deutschen Wursthersteller beraten, erzählt die Pressesprecherin. Der will seinen Umsatz mit vegetarischen Produkten steigern. Geplant sind unter anderem auch vegane Varianten.