Abschiebung in den Winter

BLEIBERECHT Bürgerschaft entscheidet heute über „Rückführung“ von drei Roma-Familien

„Die Rechtslage ist nicht das Problem, sondern der politische Wille fehlt“

Sigrid Töpfer, Flüchtlingsrat

Die Abschiebung von drei Roma-Familien steht am heutigen Mittwoch in der Bürgerschaft zur Entscheidung an – die Zustimmung scheint sicher. Zumindest eine Duldung von sechs Monaten, fordert dagegen Sigrid Töpfer vom Flüchtlingsrat. In Baden-Württemberg sei dies jetzt geschehen. Töpfer sagte auf einer Pressekonferenz: „Die Rechtslage ist nicht das Problem, sondern der politische Wille fehlt.“

Der fehlte auch in den vergangenen Wochen, als die Bürgerschaft bereits die Abschiebung von acht Roma-Familien durchwinkte. Ob die Kinder schulisch integriert sind oder ein Familienvater krebskrank ist, war egal. Am 3. November steht nun die Abschiebung einer vierköpfigen Familie nach Serbien auf dem Plan. Weitere „Rückführungen“ sind terminiert.

Sebastian A. soll mit seiner sechsköpfige Familie nach Mazedonien abgeschoben werden, wo sein Bruder lebt – mit neun Personen in einem Raum, auf 17 Quadratmetern. In dieses Zimmer könne er mit seinen vier Kindern nicht auch noch ziehen, sagt er und ergänzt: „Wir werden auf der Straße leben.“ In Mazedonien sei der Winter härter als hier, gibt Töpfer zu bedenken.

Marija K. hat 200 Postkarten mit Bildern der gut 30 Kinder der betroffenen Familien an die Abgeordneten geschickt. Ihre Familie erwartet die Abschiebung nach Serbien, wenn die Politik nicht in letzter Minute einlenken sollte. Die drei Kinder sind in Deutschland geboren und sprechen kein Serbisch. Eine Tochter steht kurz vor Abschluss ihrer Ausbildung. „Der Senat zerstört unsere Zukunft“, klagt Marija K.

Statt Unterricht erwarte die abgeschobenen Kinder Feldarbeit, sagt Ulrich Hoch, Direktor einer Schule, auf die auch Roma-Kinder gehen. Psychische Schäden seien absehbar. Auch Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, bittet die Abgeordneten, Abschiebungen „wenigstens für diesen Winter“ zu verschieben. Sonst werde ohne Not das Leben von Kindern gefährdet. ALEXANDER KOHN