Kraftwerk speichert Windenergie

ENERGIE Aus Wind wird Strom und Wasserstoff: Ein sogenanntes Hybridkraftwerk ist ans Netz gegangen, in der Form das erste seiner Art. Das Pilotprojekt könnte die Energiewende entscheidend voranbringen

Weniger als die Hälfte des eingesetzten Stroms kann wieder gewonnen werden

PRENZLAU taz | Es ist nur ein kleines, unscheinbares Gebäude, daneben ein normaler Gastank, doch es enthält ein Gerät, das eine entscheidende Technologie der Energiewende sein könnte: einen Elektrolyseur. Gestern weihte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) das weltweit erste Hybridkraftwerk ein, das Windkraft und Biogas mit einem solchen Gerät kombiniert. Mit ihm wird Wasserstoff erzeugt, so dass überschüssiger Strom nicht verloren geht, sondern gespeichert werden kann. Der Wasserstoff kann zur Stromproduktion sowie theoretisch auch als Kraftstoff für Autos genutzt werden.

„Es ist mehr als ein Projekt, es ist der Grundstein für die Energiewende“, sagte Enertrag-Vorstand Werner Diwald. Die Firma, die europaweit Windparks betreibt, hat das Projekt mit dem Energieunternehmen Vattenfall, dem Mineralölkonzern Total und der Deutschen Bahn für 21 Millionen Euro realisiert. Mehrere Hochschulen sind mit im Boot.

Die Speicherung von Strom ist eine der größten Herausforderungen für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, weil Wind- und Sonnenenergie Strom abhängig vom Wetter liefern. Schon heute produzieren sie manchmal zu viel – Windkraftanlagen stehen dann still, obwohl viel Wind weht. Hier setzt das Hybridkraftwerk von Enertrag an. Ist Stromflaute, wird zuvor erzeugter und gespeicherter Wasserstoff mit Methan aus einer Biogasanlage gemischt und dient dazu, ein Blockheizkraftwerk anzutreiben, welches wiederum Strom und Wärme erzeugt. Das Verfahren ist nicht ohne Verluste. Weniger als die Hälfte des eingesetzten Stroms kann wieder gewonnen werden. Solange allerdings überschüssiger Strom eingesetzt wird, lohnt es. Effizienter ist die Stromspeicherung in Pumpspeicherkraftwerken – doch die Ausbaupotenziale hierfür sind begrenzt, der Bau ist mit Eingriffen in die Natur verbunden.

Das Hybridkraftwerk nutzt letztendlich nur bekannte und erprobte Technologien – das Neue ist lediglich die Kombination. Mit 6 Megawatt Leistung ist das Enertrag-Kraftwerk zudem kein Vergleich zu heutigen Großkraftwerken mit einer oft mehr als 100-fachen Leistung. Den Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff hat Enertrag selbst entwickelt und gebaut. Zwar ist die Technologie schon weit verbreitet, allerdings nicht in dieser Größenordnung. Auch seien am Markt erhältliche Elektrolyseure nicht für häufig schwankende Stromquellen ausgelegt, erklärt Enertrag.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit besteht in der Einspeisung von Wasserstoff ins Gasnetz. Der Ökostromanbieter Greenpeace Energy ist kürzlich ins Gasgeschäft eingestiegen und will sogenanntes Windgas anbieten – Gas, welches mit Hilfe von Windstrom hergestellt wurde. Bis zu 5 Prozent Wasserstoff im Gasnetz sind zurzeit zulässig. Doch Fachleute gehen davon aus, dass dieser Wert ohne größere Umstellungen auf 15 oder 20 Prozent erhöht werden kann. Somit könnte das Gasnetz als Stromspeicher dienen. Wenn die Wasserstoffbeimischung ausgereizt ist, kann mit Überschussstrom auch Methan hergestellt werden. Enertrag-Chef Werner Diwald forderte, derart erzeugtes Gas künftig ähnlich zu fördern wie heute regenerativen Strom. Zudem kündigte er an, drei weitere Kraftwerke bauen zu wollen.

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