nebensachen aus monrovia
: Auf den Spuren von Nicolas Cage

Endlich kann ich mich ausstrecken. Das Bett im Hotelzimmer ist einigermaßen groß. Jedenfalls größer als die Pritsche im russischen MI-8-Hubschrauber. Die zwei Stunden Flug in dieser Errungenschaft der russischen Luftfahrttechnik stecken mir noch in den Knochen. Aber man ist ja schon froh, überhaupt lebend aus diesen Kisten zu kommen. Weniger aus Gründen der Statistik, nach der ein Afrika-Korrespondent angeblich zweimal in seiner Dienstzeit abstürzt, sondern aus Anschauung vor einigen Wochen. Da stürzte eine MI-8, von der der Nato „Hip“ genannt, im Nachbarland Sierra Leone ab. Sie diente als Shuttle zwischen Flughafen und dem Hotel auf der anderen Seite der Bucht. Fast zwei Dutzend Menschen starben. Die beiden ukrainischen Piloten sprangen „geistesgegenwärtig“ aus dem Hubschrauber, der kurz vor der Landung Feuer gefangen hatte.

Meine Piloten sind glücklicherweise auf dem Weg nach Monrovia auf ihren Sitzen geblieben. Immerhin arbeiten sie für die UNO. Die Einweisung des Co-Piloten in englischer Sprache kommt mit schwerem slawischem Akzent. „Haben Sie angenehmen Flug“ hört sich für uns Passagiere, die auf Pritschen im Frachtraum sitzen, wie blanker Hohn an. Alle Beschriftungen sind auf Russisch, bis auf eine: „Hier aufschneiden“. Handelt es sich um einen Notausstieg?

Gerade springt der Stromgenerator an und bringt meine Gedanken zurück in das Hotelzimmer. Ich spüre die erste kühle Luft des Tages. Jetzt geht auch das Satellitenfernsehen an. Ein Film mit Nicolas Cage läuft: „Lord of War – Händler des Todes“. Der ukrainischstämmige Waffenhändler Yuri Orlov, gespielt von Nicolas Cage, läuft gerade durch eine Bürgerkriegsszene, die in Monrovia spielen soll, also der Stadt, in der ich gerade angekommen bin. Aber diese Straßenzüge habe ich im wirklichen Monrovia nie gesehen. Eher sieht es wie Freetown in Sierre Leone aus. Egal!

Vor dem Hotel von Yuri Orlov pickt ein Geier an einer Leiche, die in den Wirren des Bürgerkriegs in der Stadt seit Tagen dort zu liegen scheint. Vor meinem Hotel liegt zum Glück keine. Fast wäre es vor ein paar Jahren so weit gekommen, als Diebe ins Hotel eindringen wollten. Nur mit Hilfe des Kalaschnikow-Feuers konnte unser Wachmann die Einbrecher fern halten. AK-47, genau der Verkaufsschlager von Yuri Orlov im Film. Echte Leichen lagen vor vier Jahren vor der US-Botschaft in Monrovia herum. Seit Tagen hatte das Zentrum Monrovias unter Granatfeuer von den Rebellen auf der anderen Lagunenseite gelegen. Dutzende Menschen starben unter dem Beschuss. Um die ehemalige Schutzmacht USA zum Eingreifen zu bewegen, warfen Liberianer ihre toten Landsleute auf einen Haufen vor die Botschaft.

Die Straße hieß schon damals UN-Drive. Heute blockieren keine Leichen mehr die Straße, sondern Autos. Denn im neuen Liberia gibt es jetzt sogar Staus. Die Kriegszeiten, als ein Liter Benzin zehn US-Dollar kostete, sind wie ein Albtraum vorbei. Auch heißen Reiskörner, das hiesige Grundnahrungsmittel, wieder ganz normal „Reiskörner“ und nicht „weiße Diamanten“, weil sie im Krieg so kostbar waren. Und im Nationalstadion wird wieder Fußball gespielt. Wie der „Superdome“ in New Orleans nach Hurricane „Katrina“ wurde auch das Stadion in Liberia zum Flüchtlingslager – und wie in New Orleans ein Hort des Verbrechens. Im neuen Liberia aber spielte Anfang Juni sogar Fußball-Superstar Samuel Eto’o im kamerunischen Nationalteam gegen das liberianische. Liberianer und Liberianerinnen leben gern im neuen Liberia. Mit Ungläubigkeit schaut man hier den Film von Nicolas Cage, der den Wahnsinn zeigt, der noch vor vier Jahren wütete.

HAKEEM JIMO