Kämpfe trotz Friedensgipfel

UKRAINE-KRIEG Zahlreiche Tote und Verletzte bei Gefechten im Donbass. Präsident Poroschenko schließt Kriegsrecht nicht aus

„Wir verteidigen unser Land bis zum Letzten“

DER UKRAINISCHE PRÄSIDENT PETRO POROSCHENKO

MINSK/DONEZK rtr/taz | Ungeachtet des Gipfeltreffens zur Lösung des Ukraine-Konflikts in der weißrussischen Hauptstadt Minsk am Mittwochnachmittag gingen die Kämpfe im Donbass weiter. Militärsprecher Wladislaw Selesnjow sprach in Kiew von mindestens 19 Toten und mehr als 70 Verletzten in den eigenen Reihen. Die Regierungstruppen hätten nahe des Eisenbahnknotenpunkts Debalzewe mehr als 80 prorussische Kämpfer getötet, behauptete er. Die Aufständischen selbst machten keine Angaben zu ihren Verlusten. In der Großstadt Donezk starben innerhalb von 24 Stunden mindestens neun Zivilisten, davon sechs beim Beschuss einer Bushaltestelle. Neun weitere Menschen wurden verletzt.

Der Befehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, warf dem russischen Militär vor, direkt in die Kämpfen um Debalzewe einzugreifen. Dies sei wegen „der Menge der eingesetzten Munition und der Art der Ausrüstung offensichtlich“, erklärte Hodges auf einem Nato-Stützpunkt in Szczecin. Gepanzerte Fahrzeuge mit Russisch sprechenden Soldaten, die keinerlei Abzeichen trugen, waren in den vergangenen Tagen bei Debalzewe vorgerückt. Vorige Woche hatten sie eine benachbarte Ortschaft eingenommen, in der am Dienstag eine Aufklärungseinheit Ausrüstung barg, die von der ukrainischen Armee zurückgelassen worden war. Der Befehlshaber der Einheit sagte, seine Männer wollten keine Waffenruhe, solange die Regierungstruppen auf dem Rückzug seien.

Russlands Außenminister Sergei Lawrow hatte am Mittwochmorgen von „merklichen Fortschritten“ bei der Vorbereitung des Gipfels gesprochen. Es gebe aber noch offene Fragen zur Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze in den Separatistengebieten. Es sei „schlichtweg unrealistisch“, wenn die ukrainische Regierung jede Einigung davon abhängig mache, dass sie die volle Kontrolle über ihre Grenzen zurückerlange, sagte Lawrow in Moskau. Jede Abmachung darüber setze die Zustimmung der Separatisten voraus. Diese hatten einen russischen Medienbericht über eine Einigung der Konfliktparteien in der Ukraine auf eine Waffenruhe zurückgewiesen. Es sei zu früh, um von einem Abkommen zu sprechen, sagte der Gesandte der prorussischen Separatisten, Denis Puschilin, nach einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk dem Sender Rossiya24.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko drohte derweil, bei einer weiteren Eskalation der Kämpfe das Kriegsrecht im ganzen Land zu verhängen. „Wir sind für den Frieden, aber wenn wir den Gegner schlagen müssen, werden wir es tun. Wir verteidigen unser Land bis zum Letzten“, sagte er am Mittwoch in Kiew vor seiner Abreise nach Minsk.

Bei den Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin würden die Ukraine sowie Deutschland und Frankreich „mit einer Stimme sprechen und eine bedingungslose Waffenruhe fordern“, kündigte Poroschenko an. „Alles hängt vom Resultat dieses Treffens ab“, sagte Poroschenko. Er sei bereit, das Kriegsrecht zu verhängen, „falls die Taten des Aggressors eine weitere Eskalation bringen“.