Was ein Klavier kosten kann

Der Nobelpreis für Wirtschaft geht in diesem Jahr an die US-Ökonomen Leonid Hurwicz, Erik Maskin und Roger Myerson für ihre Arbeiten zum „Mechanismus-Entwurf“

BREMEN taz ■ Die diesjährige Vergabe des Nobelpreises für Ökonomie an Leonid Hurwicz hat die Kenner der Szene nicht überrascht. Schon seit Jahren wird der in Moskau 1917 geborene Sohn polnischer Eltern an der Wettbörse als möglicher Preisträger gehandelt. Mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird jedoch nicht nur der Begründer der neuen Entscheidungs- und Organisationstheorie. Konsequenterweise teilt er sich die wertvollste Trophäe für die Ökonomen mit Erik Maskin (Princeton, USA) und Roger Myerson (Universität von Chicago), die die Theorie verfeinert und diese auch zur Lösung komplexer Entscheidungsprobleme angewendet haben.

Der Begriff für die wissenschaftlich geadelte Forschungsrichtung „Mechanism Design“ (Mechanismus-Entwurf) klingt recht sperrig. Dabei geht es um den Entwurf optimaler Mechanismen zur Erreichung einzel- und gesamtwirtschaftlicher Ziele, wie Gewinn und soziale Wohlfahrt. In der Laudatio des Nobelpreiskomitees wird am Beispiel des Verkaufs eines Klaviers von „Erika“ an „Peter“ ein praktisches Beispiel für die komplexe Theorie geliefert. Durch Einführung der doppelten Aktion wird eine Lösungspfad über den Wert des Klaviers aus der Sicht der Verkäuferin und des Käufers aufgezeigt, wobei sich beide Seiten über den tatsächlichen Wert des Instruments unsicher sind.

Sicherlich handelt es sich um ein sehr abstrakt modelliertes Beispiel eines bilateralen Handels zwischen zwei Personen. Jedoch lassen sich die hier gewonnenen Einsichten auch auf wirtschaftspolitische Entscheidungen übertragen.

Eine weitere Anwendung, die auf der Basis des „Mechanismus-Entwurfs“ entwickelt worden ist, bezieht sich auf die Landwirtschaft. Das hierzu entwickelte Programmdesign schafft für Landwirte einen Anreiz, optimale Maßnahmen aus eigener Kraft zu treffen. Primär geht es um die Vermeidung von vielfältigen Verhandlungslösungen.

In diesen Strukturen hat jeder Spieler einen Anreiz hat, sich so zu verhalten, wie der Designer es intendiert. Das lässt sich an der Setzung von Regeln beim Fußballspiel erklären. Ziel des Designers ist es, die Spielregeln so festzulegen, dass der Sport für die Zuschauer spannend wird. Eingeführt wird die Punkteregel „3 Punkte für Sieg, 1 Punkt für Unentschieden“. Dadurch wird der Anreiz für die Mannschaften gesetzt, das Spiel attraktiver, wohl auch aggressiver zu gestalten.

Dieses Beispiel offenbart eine für die Wirtschaftswissenschaft „revolutionäre Entdeckung“: Entscheidungen werden durch Veränderung von Regeln bzw. institutionellen Arrangements vermittelt. Insoweit gehen die neuen Nobelpreisträger über die öde Neoklassik, die Marktinstitutionen als unveränderbar unterstellt, hinaus.

Welche Bedeutung hat diese Theorie des „Mechanismus-Entwurfs“? Sicherlich wird modellhaft die Beeinflussbarkeit von Entscheidungen unter Unsicherheit und bei ungleich verteilten Informationen gezeigt. Die Veränderungen der institutionellen Grundlagen der Marktwirtschaft werden unter dem Ziel optimaler Ergebnisse herausgearbeitet. Die sozialen, kulturellen Einflüsse auf Entscheidungen sowie die Psychologie bleiben jedoch ausgeblendet. RUDOLF HICKEL

Der Autor ist Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen und Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik