Der bloggende Rebell

SPD-Fraktionsvize Günthner übt scharfe Kritik an SPD-Parlamentspräsident Weber – ein Streit um Computer

Ja, sagt Martin Günthner, der stellvertretende SPD-Fraktionschef, „man muss auch mal Christian Weber in die Parade fahren“. Wann, fragt Günthner seinen Bürgerschaftspräsidenten, „kriegen Sie (!) eigentlich die Sache mit dem Bürgerschaftsdirektor geregelt – oder fahren Sie wieder kross auf die nächste Wand zu?“ Gemeint ist die Neubesetzung der Stelle eines Verwaltungschefs, für die zwischenzeitlich Ex-Senatorin Karin Röpke im Gespräch war. Noch immer ist die Stelle nicht endgültig besetzt, Rechtsstreitigkeiten drohen. Günthner äußerte seine Kritik nicht im Parlament, sondern in seinem Weblog www.majakowski.com. Jedenfalls bis gestern Nachmittag. Nachdem die taz bei ihm und seinen Parteigenossen angerufen hatte, strich er den Satz wieder. „Er ist wirklich zu gemein.“ Zugleich betont er, dass Weber „der richtige Mann am richtigen Ort“ sei, im Parlament ein „überragendes Votum“ bekommen habe. Auch von ihm.

Was Günthner erzürnt: Er darf seinen Laptop nicht mit ins Parlament nehmen. Obwohl es sein „Notizbuch“ sei. Doch der Vorstand der Bürgerschaft hat fürs Erste mehrheitlich verfügt, dass Computer während der Sitzungen draußen bleiben müssen. Und prüft das weitere Vorgehen. „Der Plenarsaal ist ein Ort der Rede“, sagt Weber.

Eine Entscheidung, die so Günthner, „aus der Hüfte geschossen“ sei, „ohne politische Rückendeckung“, im „Alleingang“ gefällt. Und einen Präsidenten, der so auf die Schlagzeile schiele, finde er „nicht angebracht“, so Günthner, der seit 1999 im Parlament sitzt. Eine „angemessene“ Kritik, wie Günthner findet, und er würde das auch im Parlament so sagen. Sein Fraktionschef Carsten Sieling „billigt“ den Blogeintrag nicht, lässt er ausrichten. Weber selbst möchte die Sache nicht kommentieren. Und sein Sprecher verweist darauf, dass auch die SPD keineswegs einig darüber sei, ob Laptops im Plenarsaal nun tabu sein sollen oder nicht. Das Parlament ist „gespalten“, sagt Günthner, quer durch alle Fraktionen, in die „Webaffinen“ – und die anderen. „Vielleicht ist das auch eine Altersfrage.“

Man müsse die Dinge eben auch mal „knackig“ formulieren, sagt der 31-Jährige, der sich zu Gute hält, auch mal „ein bisschen wild“ zu sein. Und dabei an parlamentarische Glanzzeiten erinnert, an historische Debattenredner, an Herbert Wehner, Franz Josef Strauß.

Günthner sinniert unterdessen schon über weitere Schritte in seinem Streiten für ein computerfreundliches Parlament. Er überlegt, seinen Laptop heute einfach mal mitzunehmen, hinein in den Plenarsaal. Aber irgendwie – ganz sicher ist er sich da noch nicht. Es wäre ein „Akt der Rebellion“. Jan Zier