KUNSTRUNDGANG: Andrea Edlinger schaut sich in den Galerien von Berlin um
Der Reiz der aktuellen Ausstellung bei allgirls liegt in der Unterschiedlichkeit der beiden Künstler. Ulrich Heinke zeigt Fotos von öffentlichen Räumen, die ihren Charme aus der verunglückten Zweckmäßigkeit beziehen: Ein blauer Bürostuhl steht auf der Terrasse eines riesigen Rohbaus, ein Wählscheibentelefon in einem blechernem Vogelhaus dient zur Essensbestellung in einem Bangkoker Hotel. Bilder aus den Unorten des Alltags, auf denen der Sozialrealismus in die Realsatire umschlägt. Florian Zeyfang bezieht sich statt auf die Wirklichkeit auf die Theorie: Ausgangspunkt seiner Videoarbeit „Einführung in eine kleine Geschichte der Fotografie“ ist Walter Benjamins gleichnamiges Essay. Zeyfang hat Benjamins Referenzpunkte, Fotografien von August Sander, Eugène Atget oder Karl Bloßfeldt, abfotografiert und so montiert, dass am Ende ein Film in Daumenkino-Tempo entstanden ist. Dazu läuft elektronische Musik, die die Bilder von Benjamins Theorieteppich befreit. Man kann ganz unbefangen auf die Bilder schauen, über den Unterschied von Still und Film nachdenken oder Zeyfangs Arbeit als smartes Musikvideo sehen. In Thinglish, also thailändischem Englisch, heißt „same same, but different“ Abweichen vom Status quo. Die gleichnamige Ausstellung bei Jet beschäftigt sich mit den Phänomenen, die sich nicht in gewohnte Denkmuster einordnen lassen. Mit den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ befasst sich Michaela Melián in ihren gezeichneten und genähten Tomboy-Arbeiten. Eine Männerunterhose, ein Kopftuch, eine Zopffrisur, ein BH, eine Burka sind darauf zu sehen und warten nur darauf, in ein Ordnungssystem gesteckt zu werden. Doch was ist mit dem Bild, auf dem sich der BH zu den Augen einer Comicfigur gewandelt zu haben scheint? Der Tomboy, ein Mädchen, das lieber Junge ist, passt in kein Muster.
Ulrich Heinke und Florian Zeyfang, bis 10. 11., Mi–Do 15–18, Fr+Sa 17–20 Uhr, allgirls, Brückenstr. 15 a
Same Same, but Different. Gruppenausstellung mit Michaela Melián, bis 10. 11., Do–Sa 16–19 Uhr, Jet, Memhardstr. 1
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