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ES IST FASCHINGSZEIT, UND DIE DÄNISCHEN SUPERMÄRKTE BIETEN ATTRAPPENHOLZTONNEN AN, IN DENEN EIN STOFFKÄTZCHEN SITZTMit heidnischer Wut

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Die Tage sind wieder länger und blau oder grau. Wir essen seit Wochen schon fastelavnsboller (Fastnachtbrötchen): tiefgefroren von Aldi, aufgetaut als Plundervariante beim Bäcker. Aus Mürbeteig werden sie nostalgisch „gammeldags“ getauft und mit Remoncezubereitung und Vanille gefüllt.

An blauen Tagen sehe ich Generationen von frommen Bauern ihre letzten Eier und Schmalz aufbrauchen, getrocknete Früchte dazu rühren und noch mal ordentlich auf den Putz hauen, bevor die Fastenzeit anbricht. Sonntags in der Kirche in Elmelunde gucken sie an die Decke und sehen den Weg in den Himmel oder die Hölle vor sich aufgemalt. Ein Bild von Jesus in der Wüste fehlt. Dafür sitzt Josef zu Jesu Geburt neben dem Stall und isst einen gehörigen Topf Brei mit einem hölzernen Löffel.

An grauen Tagen sehe ich in den Supermärkten die kleinen Attrappenholztonnen, mit schwarzem Stoffkätzchen und Süßigkeiten gefüllt. Zu Fastnacht werden wir zu Familienbesuch auf Fünen sein. „Naah, vielleicht kommt Freja dazu, die Katze aus der Tonne herauszuschlagen“, sagt mein Mann. „War das früher mal eine echte Katze?“ „Moment mal“, sagt mein Mann, und öffnet Wikipedia.

Meine Bauern werden sich um eine hölzerne Tonne im Dorf gestellt haben, in die sie vorher eine schwarze Katze gesetzt hatten. Die Tonne wurde dann mit Stockhieben so lange geschlagen bis die Katze tot und Tonne kaputt war. Das half gegen die Pest. Viel Arbeit müssen die Pfarrer in Elmelunde mit ihrer heidnischen Gemeinde gehabt haben, wahrscheinlich haben sie mit auf die Tonne gehauen, sicher ist sicher, und verboten ist’s auch nicht, sonst wär’s ja irgendwo auf der Kirchendecke vermerkt. Dort befindet sich auch ein kleines gemaltes Tierchen, es sieht aus wie eine Eichkatze aus dem Fabelland.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle.

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