„Wir wollen nicht das Autofahren verbieten“

WAHLKAMPF Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz verteidigt im taz-Interview seine Flüchtlings-, Umwelt- und Verkehrspolitik und betont einmal mehr, dass er, falls nötig, mit den Grünen koalieren möchte – und nicht mit der erstarkenden FDP. Olympische Spiele an der Elbe soll es quasi zum Nulltarif geben

56, verheiratet, kinderlos, seit 2011 Erster Bürgermeister Hamburgs, Bundes-Vize der SPD, von 2000 bis 2004 und seit 2009 SPD-Vorsitzender in Hamburg, 1998 bis 2011 Bundestagsabgeordneter, 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär, 2007 bis 2009 Bundesarbeitsminister.

INTERVIEW JAN KAHLCKE
UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herzlichen Glückwunsch zum Wahlsieg, Herr Scholz.

Olaf Scholz: Gewählt wird erst am 15. Februar.

Zweifeln Sie etwa daran, dass Sie Bürgermeister bleiben?

Alle Umfragen deuten daraufhin. Aber wir sollten die Entscheidung der WählerInnen abwarten.

Und Sie möchten weiter mit absoluter SPD-Mehrheit regieren?

Wir haben viel zustande gebracht in den vergangenen vier Jahren. Und wenn auch die BürgerInnen denken, die haben das ganz gut gemacht, dann geben sie uns hoffentlich wieder ein starkes Mandat.

Falls nicht, sprechen Sie mit den Grünen?

Ja.

Und alternativ mit der FDP?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP unser Koalitionspartner wird.

Was wird denn besser mit einem Bürgermeister Scholz II.?

Es gibt in aller Bescheidenheit viele Dinge, die wir ganz gut gemacht haben. Da dürfen wir nicht nachlassen. Das betrifft zu allererst den Wohnungsbau. Und wir wollen die Qualität im Bildungsbereich, von der Kita bis zur Hochschule, weiter verbessern. Das gilt auch für die Vermittlung von jungen Leuten in eine Berufsausbildung.

Wird Hamburg sich auch mehr Humanität gegenüber Flüchtlingen erlauben?

Hamburg unterstützt die Flüchtlinge, die hier ankommen, mit großer Solidarität. Zurzeit halten sich mehr als 20.000 in der Stadt auf, allein im vorigen Jahr haben wir 6.000 Flüchtlinge neu untergebracht. Wir tun viel.

Werden Sie die Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe weiter ignorieren? Oder packt nach der Wahl der Rechtsstaat zu?

Für alle Flüchtlinge gilt das gleiche Recht. Auch die meisten aus der von Ihnen genannten Gruppe haben inzwischen den regulären Weg beschritten und dabei gute Erfahrungen gemacht, manche haben schon Arbeit gefunden. Es ist nicht schlecht, den rechtsstaatlichen Weg zu beschreiten.

Wollen Sie künftig auch lernen, wie man ‚Ökologie‘ buchstabiert?

Das Thema Ökologie bewegt mich schon seit meiner Jugend viel stärker, als Sie das offenbar glauben. Und ich denke, dass wir in den vergangenen vier Jahren da auch viel erreicht haben. Die Ausweisung neuer Naturschutzgebiete, die Reduzierung der Emissionen im Straßenverkehr, der Ausbau des Radverkehrs, die Schaffung neuer Parks und Grünachsen – das kann sich schon sehen lassen.

Durch Ihre Politik fährt kein Auto weniger in Hamburg.

Es ist nicht unser Ziel, das Autofahren zu verbieten. Jeder darf sich durch Hamburg bewegen, wie er möchte. Und deshalb legen wir großen Wert auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Wir bauen die Fahrradwege, Bike-and-Ride und das Stadtrad-System aus. Und wir optimieren das Busnetz, ab 2020 schaffen wir ausschließlich emissionsfreie Busse an.

Das Kernstück ist der Bau von 30 Kilometern U-Bahn in 25 Jahren für mindestens 3,5 Milliarden Euro – zu spät, zu teuer?

Nein, wir haben das auf den Weg gebracht und werden die ganze nächste Legislaturperiode für die Planung benötigen. Das ist seriös. Wer aber behauptet, er könne mit einem Fingerschnippen in fünf Jahren Hamburg mit 100 Kilometern Stadtbahn beglücken, agiert hochgradig unseriös. Warum eine U-Bahn unökologisch sein soll, verstehe ich nicht.

Liegt Ihre Sympathie für U-Bahnen auch daran, dass dafür keine Parkplätze entfallen?

Unser Programm zur Busbeschleunigung hat schon Debatten ausgelöst. Das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was bei 100 Kilometern Stadtbahn in dieser Stadt los wäre. Fest steht: Kein anderes öffentliches Verkehrsmittel erreicht die Kapazität und die Taktdichte der U-Bahn. Übrigens sind 71 Prozent der HamburgerInnen für den U-Bahn-Ausbau.

Wenn die HSH Nordbank pleite geht und Hapag-Lloyd weiter Verluste einfährt – können Sie dann noch Versprechen halten?

Die Folgen der Großmannssucht meiner Vorgänger bei der HSH Nordbank werden Hamburg und Schleswig-Holstein noch lange begleiten. Es geht um viele Milliarden. Ich bin aber nicht so pessimistisch zu glauben, dass wir uns künftig gar nichts mehr leisten können. Und auch Hapag-Lloyd wird sich nach der Fusion mit der chilenischen Reederei CSAV stabilisieren.

Also machen Sie auch für Olympia keine neuen Schulden?

Nein, die Spiele würden geplant und durchgeführt unter den Bedingungen des Neuverschuldungsverbots an 2020 und mit Refinanzierung der Investitionen in Wohnungen und Bürogebäude durch die Nachnutzung.

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