Harald Keller Der Wochenendkrimi: Tote Söhne, traurige Väter
Der Kriminalbeamte Tom Adkins („Mad Men“-Star Jon Hamm) und dessen Ehefrau Barbara (Rhona Mitra) haben den Verlust des gemeinsamen Sohnes auch Jahre später noch nicht verwunden. Entfremdet leben beide nebeneinander her, regelmäßig flieht Adkins aus der Zweisamkeit in exzessives Joggen. Er quält sich mit Selbstvorwürfen, weil es ihm als Polizisten nicht gelang, den Verbleib des kleinen Tommy aufzuklären – der zudem aus seiner Obhut verschwand: Vater und Sohn aßen am Nationalfeiertag in einem Imbiss. Adkins ging kurz zur Toilette, seither hat er seinen Sohn nie wiedergesehen.
Von Berufs wegen wird er an einen Leichenfundort gerufen. Der verfallene Körper gehört einem Kind; es könnte sich um Tommy handeln. Tatsächlich aber ist der Leichnam sehr viel älter; der kleine Junge starb schon 1958. Bei den Ermittlungen stößt Adkins dennoch auf deutliche Parallelen zu seinem eigenen Fall.
Regisseur Anders Anderson verwebt die beiden Kriminalfälle, die von einer wahren Begebenheit inspiriert wurden, durch fließende Übergänge. Manchmal sind die Schauplätze identisch; erst der zweite Blick macht deutlich, dass ein Zeitsprung stattgefunden hat. Mit Matthew Wakefield (Josh Lucas) gibt es im Jahr 1958 einen zweiten verzweifelten Vater. Sein Schicksal erinnert an heutige Krisenopfer: Er verliert den Job, die Bank nimmt ihm das Haus; seine Ehefrau wählt den Freitod. Seine Verwandtschaft kann nur zwei der drei Söhne aufnehmen; so ist Wakefield gezwungen, den geistig behinderten John mit auf die Arbeitssuche zu nehmen.
Bei der Auslegung der Motivation des Täters macht es sich der Drehbuchautor Glenn Taranto nicht so leicht wie manche Verfasser handelsüblicher Schlächterkrimis. Spannend wird der Film zudem durch eine konstante Atmosphäre unbestimmter Bedrohung, die entfernt an David Lynch erinnert, aber ohne spinösen Einschlag auskommt.
■ „Tödliche Augenblicke“; Sonntag, 0.45 Uhr, NDR
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