„Macken am Körper“

RÜCKBILDUNG Die Hamburger Hebamme Ramona Busch erklärt, wie schnell frau nach der Geburt wieder mit Sport anfangen sollte und ob es auch ohne Rückbildungskurse geht

■ 40, ist Diplom-Berufspädagogin, arbeitet seit 19 Jahren als freie Hebamme und und im Kreißsaal, gibt seit zehn Jahren Rückbildungs-Kurse.FOTO: ANNE PASSOW

INTERVIEW ANNE PASSOW

taz: Frau Busch, gibt es für Frauen nach der Geburt Alternativen zur herkömmlichen Rückbildungsgymnastik?

Ramona Busch: Angeboten wird eine ganze Menge. Angefangen vom Rückbildungsyoga über Rückbildungspilates und Rückbildungsschwimmen bis hin zum Rückbildungstanzen. Sehr Viele, die irgendwas mit Bewegung und Sport anbieten, versuchen Mütter als Zielgruppe zu gewinnen. Es ist aber wichtig, darauf zu achten, dass der Anbieter vom Fach ist: Hebammen oder Physiotherapeuten wissen, worauf es ankommt, wenn eine Frau nach der Geburt ihren Körper wieder in Form bringen will. Bei einer Tanzlehrerin ohne Zusatzausbildung habe ich da Zweifel.

Worauf kommt es denn an?

Vor allem darum, die Beckenboden- und Bauchmuskulatur wieder zu stärken. Die werden der Schwangerschaft und bei der Geburt stark beansprucht.

Mit welchen Problemen kommen Frauen zur Rückbildung?

Einige Frauen haben Beschwerden am Iliosakralgelenk. Das befindet sich seitlich und oberhalb des Gesäßknochens.Wenn sich während der Schwangerschaft und der Geburt die Bänder lockern, haben die Frauen oft starke Schmerzen. Einige laufen nach der Geburt auch mit einem starken Hohlkreuz herum. Wenige haben auch Inkontinenzprobleme. Sie sollten über den Kurs hinaus mit auf Rückbildung spezialisierten Hebammen zusätzlich trainieren.

Was ist das häufigste Bedürfnis?

Die meisten Frauen treibt nach der Geburt aber vor allem ein Problem um. Sie sagen: Ich bin zu dick, und wollen ihren Bauch so schnell wie es geht wieder loswerden. Hier kommen viele oft mit falschen Vorstellungen in den Rückbildungskurs. Sie denken nach den zehn Terminen sei ihr Bauch weg und sie sind wieder fit.

Und das ist nicht so?

Normalerweise nicht. Zum einen liegt das daran, dass der Körper meist länger braucht, um vollständig zu regenerieren. Zum anderen liegt das häufig an zu wenig Disziplin der Frauen. In einigen meiner Kurse habe ich erlebt, dass Frauen einen großen Teil der Zeit herumsitzen, sich unterhalten und ihre Babys stillen. Allzu viel trainieren die da nicht. Wenn eine Frau nach der Geburt wieder in Form kommen will, muss sie normalerweise auch außerhalb des Kurses trainieren.

Wie viel Training ist denn notwendig, um wieder in Form zu kommen?

Das hängt auch davon ab, welche Ansprüche die Frau an sich selbst hat. Die Frau, die vor der Geburt jeden Tag Sport getrieben hat, hat andere Ziele, als die Frau, die vorher vielleicht ein Mal in der Woche Sport getrieben hat – oder gar nicht. Man muss sich aber auch mal vor Augen halten, dass die Einstellung „Ich will nach der Geburt wieder aussehen, wie vorher“ eine sehr westliche ist. In vielen anderen Ländern der Erde gehören Rückbildungskurse nicht dazu. Frauen akzeptieren da vielleicht eher die Macken, die Schwangerschaft und Geburt an ihrem Körper hinterlassen. Ein bisschen Gelassenheit ist da manchmal ganz gut.

Wenn eine Frau keine Rückbildung gemacht hat – kann sie das später noch nachholen?

Möglich ist das. Schließlich sind Muskeln ein Leben lang trainierbar.

Wie lange dauert es im Schnitt, bis frau wieder in Form ist?

Das Lehrbuch sagt, nach sechs bis acht Wochen ist der Körpert wieder hergestellt. Im echten Leben dauert es aber oft länger. Zum Beispiel wenn eine Kaiserschnittnarbe verheilen muss. Oder wenn die Frau bei der Geburt Verletzungen im Dammbereich davongetragen hat, die erst nach und nach wieder verheilen. Dann gibt es da noch Brustentzündungen und viele andere Beschwerden, die sich hinziehen können.

Welche Sportarten sind denn kurz nach der Entbindung o. k.? Mit welchen sollte frau dagegen noch warten?

Man sagt, dass man mit Sportarten wie Trampolin springen, Tennis oder Basketball spielen oder Joggen erst mal warten sollte. Denn bei den Auf-und-ab-Bewegungen knallt das gesamte Innenleben der Frau auf den Beckenboden, der ja eh schon geschwächt ist. Gut sind dagegen Sportarten mit fließenden Bewegungen wie Schwimmen, Rad fahren oder Training auf dem Stepper.

Wann kann eine Frau nach der Geburt wieder normalen Sport treiben?

Auch das hängt wieder sehr von der Person ab. Eine Frau, die vorher viel Sport getrieben hat, hat vielleicht zwei bis drei Wochen nach der Geburt das Bedürfnis, wieder loszulegen. Das ist für diese Frau dann nicht nur physisch sondern vor allem auch psychisch wichtig. Da kann man dann nicht sagen: Das darfst du nicht – auch wenn ihr Beckenboden vielleicht noch nicht wieder in Topform ist. Eine Frau, die sich entschließt, ihr Kind zwei Jahre lang zu stillen, hat vielleicht keine Lust mit so einem dicken Oberbau joggen zu gehen. Und auch das ist verständlich.