„Nah an politischen Diskursen“

BRÜSSEL Für Akademiker bieten die europäischen Institutionen interessante Jobs. Aber auch für Menschen ohne Studienabschluss kann der Arbeitgeber Europa interessant sein. Wer Abwechslung mag, wird EU-Jobs lieben

Neben fachlichem Profil sind Persönlichkeit und emotionale Intelligenz gefragt

VON VOLKER ENGELS

In den Institutionen der EU arbeiten rund 55.000 Menschen in unterschiedlichen Berufsfeldern: Juristen sind ebenso gefragt wie Wirtschaftswissenschaftler, Übersetzter oder Dolmetscher. Aber auch Sachbearbeiter oder Erzieher finden Jobs in den Institutionen. Die EU hat mehrere Agenturen und dezentralisierte Einrichtungen, die in verschiedenen Ländern angesiedelt sind.

Das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) in Brüssel koordiniert für die europäischen Institutionen die Personalsuche. Alleine im vergangenen Jahr bewarben sich dort rund 66.000 Menschen aus den 27 Mitgliedstaaten, um einen attraktiven Beamtenjob zu ergattern. Rund 1.100 von ihnen haben das Auswahlverfahren erfolgreich absolviert. Das klingt wenig, aber: „In den kommenden Jahren wird ein erheblicher Teil der Beamten in Rente gehen und wir wollen die besten Köpfe für Europa“, sagt Jakub Adamowicz, Sprecher der für Personalentwicklung zuständigen Kommission.

Einfach ist es nicht, das zweistufige Auswahlverfahren für EU-Beamte erfolgreich zu überstehen: Die computergestützte Vorauswahl findet in Prüfungszentren statt, die es in jedem Mitgliedsstaat gibt. Abgefragt werden in muttersprachlichen Tests unter anderem sprachlogisches Denken und Zahlenverständnis. Ist diese Hürde überwunden, geht es ins Assessment-Center. Dort werden Bewerber in Deutsch, Englisch oder Französisch (aber nicht in der Muttersprache) auf „Kernkompetenzen“ geprüft. Unter anderem um Belastbarkeit und Teamfähigkeit geht es in Interviews, Gruppen- oder Einzelübungen.

Sind beide Teststufen bestanden, kommen die erfolgreichsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine sogenannte Eignungs- oder Reserveliste. Aus diesem Pool müssen die europäischen Institutionen ihr Personal für unbefristete Einstellungen rekrutieren. Innerhalb eines Jahres soll jeder Bewerber ein konkretes Jobangebot erhalten. Wer nicht auf das Läuten des Telefons warten will, sollte „gleichzeitig proaktiv auf mögliche künftige Arbeitgeber zugehen und sich dort vorstellen“, empfiehlt das deutsche Außenministerium.

An einem Concours für Übersetzter teilgenommen hat Armin Wisdorff, der im Pressereferat des Europaparlaments arbeitet. Der gebürtige Hamburger, im Rheinland und in Brüssel aufgewachsen, hat in England und Frankreich Politikwissenschaften und mehrere Fremdsprachen studiert.

Nach seiner Tätigkeit als Fernsehjournalist absolvierte er erfolgreich das europäische Auswahlverfahren. Heute hat er zwei Hüte auf: zum einen beantwortet er Presseanfragen deutschsprachiger Journalisten an das Parlament, zum anderen ist er für die Ausschüsse für Fischerei und Regionalpolitik zuständig. „Es spannend, sehr nahe an politischen Diskursen und Entscheidungen dran zu sein, die für ganz Europa gelten.“ Auch die internationale Atmosphäre weiß der 46-Jährige zu schätzen: „Die englischsprachige Arbeitsumgebung mit Kollegen und Kolleginnen aus vielen Ländern ist anregend, jeder bekommt viel aus allen Ecken Europas mit.“

Die Fähigkeit, „kreativ in interkulturellen Teams zusammenzuarbeiten“ schätzt auch Jakub Adamowicz als „extrem wichtig“ ein. Neben fachlichen Qualifikationen werde inzwischen „die Persönlichkeit und emotionale Intelligenz beim Bewerbungsverfahren stärker gewichtet“.

Armin Wisdorff wurde nach der üblichen Probezeit von neun Monaten als europäischer Beamter entfristet. Doch diese Festeinstellung bedeutet auch, dass er den aktuellen Job nicht auf Dauer hat. Es gilt das Mobilitätsprinzip: „Innerhalb der ersten sieben Jahre muss ich den Arbeitsplatz zwei Mal wechseln.“ Also wird er sich bald eine neue Aufgabe im Parlament, in der Kommission oder einer anderen europäischen Institution suchen.

„Die Bundesregierung hat sich die quantitative und qualitative Verbesserung der deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen als wichtiges politisches Ziel gesetzt“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Die Behörde bietet seit 2001 spezielle Wochenendseminare zur gezielten Vorbereitung auf den Concours an. Auch auf der Webseite des EPSO gibt es Probetests, mit denen sich Bewerber auf die Prüfung vorbereiten können.

Unabhängig vom offiziellen Bewerbungsverfahren finden Interessierte spannende Arbeitsstellen in der EU. Denn Mitarbeiter von Parlamentsabgeordneten sind zum Beispiel nicht an das offizielle Verfahren gebunden. Darüber hinaus lohnt ein Blick auf die Webseiten der einzelnen Institutionen, die vor allem befristete Verträge für unterschiedliche Jobprofile anbieten.

„Es gibt deutlich weniger Jobs für Nichtakademiker“, sagt Adamowicz. Aber auch ohne akademischen Hintergrund gibt es Chancen, in einer europäischen Institution angestellt zu werden – zumindest mit einem befristeten Vertrag als sogenannte Vertragsbedienstete. Das hat den Vorteil, dass es statt der aufwendigen Assessment-Prüfung aufgabenspezifische Tests gibt. Mehrsprachigkeit ist aber auch hier gefragt. Zwischen den Jahren 2015 und 2017 sucht zum Beispiel allein die Kommission noch 60 Fahrer, der Gerichtshof hat einen Bedarf von 12 Fahrern angemeldet. Zum Aufgabenprofil gehört es nicht nur, „hochgestellte Persönlichkeiten zu fahren“ sondern bei Bedarf auch „Post zu befördern“. Wer Erfahrungen „im Führen gepanzerter Fahrzeuge hat“ bekommt Extrapunkte. Klingt ganz schön abwechslungsreich.

http://europa.eu/epso http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AusbildungKarriere/Europa/Uebersicht_node.html