Wirtschafts- und andere Kriege

WAFFEN UND GELD Die Ukraine soll zwecks Gesundung eine Rüstungsinfusion erhalten, Griechenland wird weiter wirtschaftlich in die Mangel genommen. Beide Rezepte stoßen bei den Leserinnen und Lesern der taz auf große Skepsis

■ betr.: „Eine gute Reise“, taz vom 6. 2. 15

Die Biegsamkeit der taz überrascht – und ärgert – mich schon seit Längerem. Ines Pohl liefert mit ihrem Loblied auf Kanzlerin Merkels „Diplomatieoffensive“ ein weiteres Beispiel. Wieder einmal wird die unrühmliche Vorgeschichte der derzeitigen Krisensituation kurzerhand und bequemerweise ausgeblendet und die Mitbrandstifterin zur verantwortungsbewussten und aufopferungsvollen Feuerwehrhauptfrau hochgejubelt.

Um platte, unkritische Kommentare zu lesen, brauche ich die taz nicht.

Für mich bleibt die gewaltsame Beseitigung einer demokratisch gewählten Staatsführung immer noch ein Staatsstreich, und das Vorgehen Russlands, so kritikwürdig es sein mag, ist nicht Ursache, sondern (offenbar unerwartete?) Folge der Vorgänge, die sich mit wesentlicher, nicht nur moralischer, Unterstützung des hehre Werte vertretenden „demokratischen Westens“ abgespielt haben. HEIKO SCHLOTTKE, Trappenkamp

■ betr.: „Ein Recht auf Waffen“, taz vom 6. 2. 15

Aufrüstung zum Krieg als Friedensleistung? Noch vor Kurzem wäre es für uns nicht vorstellbar gewesen, dass Frau Merkel die taz links überholt.

Wie kann es zugehen, dass Waffenlieferungen für einen Krieg in der Ukraine von ihr strikt abgelehnt werden, während der taz-Kommentator Dominic Johnson diese völlig unbeeindruckt fordert – als ob es sich um Kartoffeln zur Stärkung der Bevölkerung handelt. Fassungslose Grüße MARTINA HARTKEMEYER, Bramsche

■ betr.: „Wer die Heimat nicht liebt“, taz vom 9. 2. 15

Petro Poroschenko soll 1.600 Millionen sein Eigen nennen und bittet um Kredite bei der EU, damit seine Waffenschmieden produzieren können? Sieht so Heimatliebe aus?

Anton Geraschtschenko ruft vollmundig die ukrainischen Männer an die Waffen, selber will er aber nicht in der ersten Reihe stehen. Sieht so Heimatliebe aus?

Die Ukraine ist ein schwacher Staat und alles erinnert mich an Russland in den 1990er Jahren, als Banditen und Mafia sich diesen Staat aufteilten. Warum sollen sich Ukrainer für Kriminelle opfern? ARNE MATSCHINSKY, Hamburg

■ betr.: „Ein Recht auf Waffen“, Kommentar von Dominic Johnson, „Lieber ins Ausland“ von Bernhard Clasen, taz vom 6. 2. 15

Dominic Johnson erweckt in seinem Kommentar den Eindruck, als würde die ukrainische Armee mit bloßen Händen in den Kampf ziehen. Die zerstörten Häuser in Donezk und anderen ukrainischen Ortschaften zeigen, dass die ukrainische Artillerie keineswegs mit Erbsen schießt.

Seit den Tagen der Sowjetunion ist die Ukraine eine Waffenschmiede, in dem Staatsbetrieb Ukroboronprom (Ukraine Defense Industry) beispielsweise sind 134 ukrainische Rüstungsbetriebe zusammengefasst, die alles produzieren, was das Herz eines Militärs erfreut: Flugzeuge, Panzer, Raketen, Munition, Kriegsschiffe, Radar-, Luftabwehr- und Kommunikationssysteme. Im Dezember 2014 übergab Petro Poroschenko seiner Armee öffentlichkeitswirksam Dutzende fabrikneuer Panzer und verkündete vollmundig, die ukrainische Armee sei sogar in der Lage, gegen die „allergrößte Militärmacht auf dem Kontinent“ vorzugehen, also gegen Russland.

Die Ukraine hat keineswegs einen Mangel an Waffen, sondern Arsenij Jazenjuk und Poroschenko steht innenpolitisch das Wasser bis zum Hals, die Unzufriedenheit mit ihrer Politik wächst.

Jazenjuk und Poroschenko zerrinnt die Macht unter den Händen, weil ihnen die Leute davonlaufen: Immer weniger Wehrpflichtige sind bereit, sich für die Kiewer Regierung totschießen zu lassen, und verlassen busseweise das Land, Mütter zerreißen öffentlich die Einberufungsbescheide ihrer Söhne, wie Bernhard Clasen in seinem Artikel anschaulich beschreibt.

In dieser prekären Lage versuchen die ukrainische Führung sowie Teile der US-Administration und der Opposition (wie der Republikaner John McCain) durch Waffenlieferungen eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und Russland zu inszenieren.

Dominic Johnsons Schulbuchweisheiten, ein Staat habe nicht nur das Recht, sondern „die Pflicht, gegen Gewaltakteure vorzugehen, die auf seinem Territorium die Verfassungsordnung bekämpfen“, helfen nicht weiter.

Wenn ein Teil des Volkes nicht länger in einem Staatsverband leben möchte, sollte es das Recht haben, in einem Referendum über die eigene Staatlichkeit abzustimmen.

Das Recht auf ein Referendum könnte in der Ukraine den Dampf aus dem Kessel nehmen – nicht aber Waffenlieferungen aus Polen, den baltischen Staaten und den USA.

WALTER RUFFLER, Bremen

■ betr.: „Ein Krieg mit gleichen Waffen“, taz vom 10. 2. 15

Wie wird man für die taz zu einem russischen Militärexperten? Nur weil man oppositionell ist? Der angebliche russische Militärexperte Alexander Golts scheint da sehr zurückgeblieben zu sein, und sogar der taz fällt es nicht auf.

Schaut denn niemand einmal Fernsehen, um sich dort zu wundern, wie modern doch die T-72-Panzer geworden sind? Tatsächlich konnte man auf ukrainischer Seite T-85 sehen. Diese wurden sowohl in Russland als auch in der Ukraine hergestellt, wobei sich die Ukraine dadurch auszeichnete, dass sie dem T-85 im Verlauf der Produktion statt der Gasturbine einen Diesel verpasste. Das scheint diesem Militärexperten völlig entgangen zu sein. Ein armseliges Bild!

Wozu der Militärexperte ebenfalls keine Aussage macht, ist die Frage, wo die Trümmer der verlorenen 70 Prozent der schweren Waffen geblieben sind, sie wurden ja laut Poroschenko verloren. Aber vielleicht waren die Separatisten schlauer und haben diese verlorenen schweren Waffen ganz einfach im Fundbüro abgeholt!

Wenigstens hat Alexander Golts richtig erkannt, dass sich die Ukraine keine westlichen Waffen leisten kann. Denn dann wäre in dem Bürgerkrieg kein Ende abzusehen. Wir sollten nicht übersehen, dass aktuell die ukrainische Seite nach Auffüllen ihrer Waffenlager die Offensive wieder aufgenommen hat, mit dem absehbaren desaströsen Ergebnis! ULRICH DIERSSEN, Lemgo

■ betr. „Kämpfe trotz Friedensgipfel“, taz vom 12. 2. 15

Russland will den Zugang zur Krim, Europa Energie (Pipelines) an Russland vorbei und der Westen allgemein Russland instabil.

Anders lässt sich diese absurde Politik nicht erklären.

Russland und die Anrainerstaaten üben seit knapp 25 Jahren demokratischere Verhältnisse. Und es scheint, als ob Putin da weiter kam als diese vielen Despoten- und Oligarchenherrschaften, die sich an den Zerfallsprodukten der Sowjetunion bereicherten. Und gegenüber den westlichen Staaten ist in Russland die Politik „Herr im Hause“, im Gegensatz zur westlichen Industrie- und Bankenhörigkeit. Vielleicht ist es das, wovor „wir“ uns ängstigen.

HENDRIK FLÖTING, Berlin

■ betr.: „Warum hat Syriza keinen Kredit?“, taz vom 9. 2. 15

Danke, Mark Terkessidis, für diesen Artikel. Besonders sei auch noch auf die Rolle Deutschlands bei der Ausfuhr von Rüstungsgütern hinzuweisen: Im Jahre 2010, als Griechenland also bereits unter der Knute der „Troika“ stand, bewilligte die deutsche Regierung Waffenlieferungen in Höhe von 35,8 Millionen Euro. Während also der Sozialhaushalt Griechenlands schrumpfte, wuchs der Verteidigungshaushalt. Hintergrund ist das ruinöse Wettrüsten mit der Türkei. Nun sind beide Länder Mitglied der Nato; da wird wohl bei Rüstungsausfuhren, so sie auch noch der heimischen Wirtschaft dienen, nicht so genau gewichtet. Es wäre daher zu wünschen, dass die EU und Deutschland der neuen griechischen Regierung entgegenkommen und die Neuausrichtung positiv anerkennen; nicht zuletzt im Interesse der EU. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

■ betr.: „Erfreuliches zu berichten“, taz vom 10. 2. 15

Ich bin irritiert, in der taz wiederholt die Behauptung wiederzufinden, dass die griechischen Steuerpflichtigen ihre Ende August von der Regierung Samaras verfügte Immobiliengrundsteuer (Enfia) nicht bezahlt hätten (Ausfall seit Anfang November circa 5 Milliarden Euro), weil sie ihr Wahlgeschenk von der Syriza schon vorweggenommen hätten.

Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die von „faulen Pleite-Griechen“ schwadronieren. Logisch ist es auch nicht, denn Neuwahlen haben erst mit der Nichtwahl von Stavros Dimas zum Staatspräsidenten am 29. 12. 14 festgestanden und hätten ohne den Kamikazekurs der Vertreter der korrupten Parteien von Samaras und Venizelos frühestens Ende März erfolgen können. Die genannten Herren sind für eine Überbesteuerung verantwortlich, die viele Haushalte zahlungsunfähig gemacht haben. SUSANNE COMMERELL, Hamburg

■ betr.: „Warum hat Syriza keinen Kredit?“, taz vom 9. 2. 15

Am Beispiel Griechenlands können wir die mitmenschliche Nagelprobe für eine EU machen, deren Existenzberechtigung immer wieder angezweifelt wird. Die fundamentalistische Austeritätspolitik, die Griechenland seitens der EU verordnet wurde, ist gescheitert. Sie führte große Teile der griechischen Bevölkerung direkt in die Verarmung. Die Verursacher der Misere scheinen mal wieder schadlos davonzukommen. Es darf uns nicht unberührt lassen, dass mitten in Europa solch massenhafte Verelendungsszenarien ablaufen. Deshalb muss Griechenland jetzt solidarisch durch entsprechende Hilfsleistungen Unterstützung erfahren. Zudem sind ein Schuldenschnitt sowie strukturelle und innovative Konzepte gefragt, die der ausufernden Jugendarbeitslosigkeit Einhalt gebieten. Hier sollten der Regierung unter Premier Tsipras entsprechende Chancen eingeräumt werden. MICHAEL RAMM, Konstanz

■ betr.: „Gebt Athen mehr Zeit!“, taz.de vom 12. 2. 15

Ich störe mich an der Bezeichnung „EU-Hilfsprogramm“. Das hat es für Griechenland nie gegeben. Es war und bleibt ein Rettungsprogramm für die EU-Banken, die sonst eben diese Hilfsmilliarden verloren hätten. Die leider typische EU-Bürger-Enteignungsmasche. So lenkt man Steuern der kleinen Bürger in die Taschen der Superreichen.

Ein EU-Hilfsprogramm muss Griechenland die Möglichkeit geben, sich von der Rezession zu erholen. Und genau das wollen weder EU noch Schäuble. Niederschlagen und dann ausrauben ist die Wirkung und die Absicht, nicht nur gegen die Griechen. Man könnte auch sagen „Hartz IV“ auf Staaten angewendet. RAINER PAKOSCH, taz.de