Energiesparer für den Orient

Die Europäische Union fördert Niedrigenergie-Bauprojekte im Nahen Osten und Nordafrika. Dort sorgt der Gebäudesektor inzwischen für 25 bis 45 Prozent des Primärenergieverbrauchs. Traditionelle Bauweisen weisen den Weg zur Nachhaltigkeit

VON BERNHARD BRAND

Energieeffizientes Bauen ist nicht nur in Mittel- und Nordeuropa, sondern auch in wärmeren Breiten gefragt. Architekten und Planer bauen mit EU-Hilfe Pilotgebäude in den Ländern südlich des Mittelmeers.

Wer auf einer Ägyptenrundreise die Stadt Luxor am Nil besucht, und nach den vielen touristisch abgekauten Monumenten aus der Pharaonenzeit zur Abwechslung einmal ein Bauwerk moderner arabischer Architektur sehen möchte, sollte einen Abstecher zu der Sozialbausiedlung New Gourna machen. Das Stadtviertel, das sich unweit der staubigen Straße zu den Ausgrabungsstätten des Tals der Könige befindet, wurde Anfang der 50er-Jahre von dem ägyptischen Architekten Hassan Fathy gebaut und gilt heute als ein Musterbeispiel nachhaltiger Baukultur im Orient.

Fathy, der für sein Lebenswerk 1980 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte mit New Gourna Großes vor: Es sollte eine Antwort auf die westlichen Stahlbetonbauweise sein, die damals gerade im arabischen Wohnungsbau populär wurde. Fathys hielt diese Entwicklung für verfehlt und wollte beweisen, dass moderne Architektur auch mit traditionellen Baumaterialien möglich ist. Seine schlichte, kubisch aufgebaute Siedlung, die neben Wohnhäusern auch Einkaufsläden, ein Gemeindezentrum und eine Moschee umfasst, wurde vollständig in lokaler Lehmbauweise errichtet und sollte den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung wie auch dem Klima Oberägyptens optimal angepasst sein.

Obwohl die Häuser nach fast 60 Jahren etwas abgewohnt sind, ist Fathys Klimakonzept nach wie vor wirksam: Lehmziegelwände, luftige Kuppeldächer, und schattige Innenhöfe sorgen auf natürliche Art – ganz ohne Einsatz energiezehrender Klimaanlagen – für angenehm niedrige Raumtemperaturen.

Die Ideen Fathys konnten sich trotzdem nicht auf breiter Front durchsetzen – zu stark war seinerzeit die Wohnungsnot in den arabischen Metropolen und die Versuchung, dieser mit billiger Schnellbauweise zu begegnen. Neuerdings beginnen sich wieder verstärkt Architekten und Planer für New Gourna zu interessieren und versuchen Fathys Konzepte in ihre Bauprojekte einfließen zu lassen. Eine treibende Kraft dieser Bemühungen ist der dramatisch steigende Energiebedarf in der Region: In den Ländern südlich des Mittelmeers sorgt der Gebäudesektor laut Experten inzwischen für 25 bis 45 Prozent des Primärenergieverbrauchs – Tendenz steigend. Hauptverantwortlich sind elektrische Klimaanlagen und Heizgeräte, die sich immer mehr Haushalte leisten können, um ihre schlecht gedämmten Wohnungen auf erträgliche Temperaturen zu bringen. Die meisten Wohnhäuser der Region bestehen aus einem einfachen Stahlbetonskelett, das mit billigen, dünnen Ziegeln ausgefacht wird. Im Sommer sind solche Behausungen reine Schwitzkästen, während sie im Winter (zumindest an der Mittelmeerküste) unangenehm kalt und klamm werden können. Obwohl der steigende Stromverbrauch durch Heizung und Klimaanlagen für viele Länder sich langsam zu einer volkswirtschaftlichen Belastung auswächst, sind Gebäude-Niedrigenergiestandards oder gar Energieeinsparverordnungen bei den südlichen Mittelmeeranrainern immer noch Fremdwörter.

Mit vier Millionen Euro fördert die Europäische Union in ihren südlichen Nachbarstaaten nun erstmals Gebäude-Energieeffizienz-Projekte. Das dafür ins Leben gerufene Programm trägt den Namen Med-Enec (Energy Efficiency in the Construction Sector in the Mediterranean) und wird von der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem niederländischen Consultingunternehmen Ecofys geleitet. Aus insgesamt 31 Projektvorschlägen, die über ein Wettbewerbsverfahren eingereicht wurden, sind per Jury zehn Bauprojekte aus zehn Ländern zwischen Marokko und der Türkei ausgewählt worden. Med-Enec stellt den Projektentwicklern finanzielle Unterstützung für die Baumaßnahmen und europäische Niedrigbauexperten als Berater zur Verfügung. Die ersten Pilotgebäude sollen 2008 fertiggestellt werden und über den lokalen Bausektor Verbreitung finden.

Neben passiven Kühltechniken wie bei Fathys New Gourna setzten viele Projekte moderne Niedrighaustechnologien und Dämmtechniken ein. Bei einigen Gebäuden kommen auch aktive, mit erneuerbaren Energien betriebene Klimageräte zum Einsatz. So zum Beispiel beim ägyptischen Vorschlag für ein Bürogebäude in Scharm al-Scheich, bei dem eine solare Absorptionskühlmaschine die elektrischen Klimaanlagen ersetzen soll. Das von Israel eingereichte Projekt, ein Ausbildungszentrum in Sakhnin im Norden des Landes, umfasst sogar ein gutes Dutzend passiver und aktiver Methoden, inklusive Photovoltaik und Windenergie.

Welchem der Med-Enec-Projekte auf lange Sicht Erfolg beschieden sein wird, hängt davon ab, inwieweit es gelingt, lokale Immobilien- und Bauunternehmer für die Sache zu gewinnen. Auf einem Markt, in dem es keine staatlichen Förderprogramme für energiesparendes Bauen gibt, wird letztlich die Kosteneinsparung gegenüber der konventionellen Bauweise ausschlaggebend sein. Die steigenden Energiepreise, aber vor allem die Tatsache, dass es – wie von Hassan Fathy bewiesen – auch ohne teure Technik möglich ist, angenehm klimatisierte Häuser zu bauen, stimmen optimistisch, dass auch in wärmeren Breiten Niedrigenergiehäuser eine Zukunft haben werden.

www.med-enec.com