ZEICHEN ZUR GÜTE
: Label-Chaos und Öko-Inzest

Bio ist auch nicht ohne!

VON MANFRED KRIENER

Kennen Sie die Geschichte vom Restaurantbesucher, der nach der Vorspeise zum Bauernhof rast, um zu sehen, wie die Rinder gehalten werden? Zufrieden kehrt er zurück und bestellt Kalbsbrust. Weil das nicht jeder machen kann, sind wir beim Einkauf und Essen auf Labels angewiesen. Die sollen garantieren, dass Fisch, Huhn und Kälbchen Peter ordentlich aufgezogen werden. Ergebnis: eine Epidemie an Labels und keiner blickt durch.

Vor allem an der Fischtheke: Es gibt Fisch aus dem Ozean mit dem vom WWF unterstützten Siegel Marine Stewardship Council. „Der ist doch nicht bio!“, jammert Tante Ilse. „Ich kauf lieber schönen Biolachs.“ Der ist aber im Netzkäfig gemästet worden, sagt ihr Begleiter und hat recht. Bio bei Fisch gilt nur für Aquakultur, also für die Mast in Gefangenschaft.

Nun muss der aber nicht schlecht sein. Karpfen etwa können wunderbar nachhaltig in Teichen gehalten werden und sind selbst ohne Bio ökologisch besser als Biolachs. Weil Lachse Raubfische sind, die mit Fisch(mehl) gefüttert werden. Karpfen fressen, was der Teich hergibt. Klare Empfehlung: Kaufen Sie Wildfisch mit MSC-Label und jede Menge Karpfen.

Und an Land: Dort gibt’s ein neues Label vom Tierschutzbund für besonders gute Aufzucht. Die Funktionäre von Neuland, einem Qualitätslabel für artgerechte Haltung (nicht für Bio!), wollen zur Eigenmarke das Label des Tierschutzbunds obendrauf setzen. Schön! Nur hat der Tierschutzbund die Kriterien weitgehend von Neuland abgekupfert. Also Öko-Inzest!

Bio ist auch nicht ohne. Es gibt gutes Premium-Bio (Bioland, Demeter) und unambitioniertes Minimal-Bio (EU-Bio). Es gibt auch chinesisches und saudi-arabisches Bio, wo keiner so genau hinguckt. Gerade hat Penny eine neue Naturgut-Produktlinie vorgestellt, „ohne künstliche Zusätze, meist in geprüfter Bio-Qualität, viele Produkte stammen direkt aus Genussregionen Deutschlands“. Hey Penny, wie sieht eine typisch deutsche Genussregion aus? Wie die Gegend um Castrop-Rauxel? Und was heißt „meist in geprüfter Bio-Qualität“? Oft auch ohne? Dann ist da noch die mit gut geölter Marketing-Maschine gepushte Initiative Tierwohl der konventionellen Landwirtschaft, unterstützt von Aldi, Lidl, Rewe. Viel Gedöns, wenig Substanz: Die gesetzlichen Standards sind hier nur minimal angehoben. Fazit: Einkaufen nur noch in Begleitung des Umweltbundesamts!