Polizistenschreck kehrt heim

Der Ex-Kritische Polizist Thomas Wüppesahl kommt vorzeitig aus der Haft. Er war einem Lockspitzel auf dem Leim gegangen und wegen Verabredung zu einem Verbrechen verurteilt worden

VON MAGDA SCHNEIDER

Für viele im Polizeiapparat ist es wohl eher eine Hiobsbotschaft, für seinen Anwalt Ernst Medecke ein längst überfälliger Schritt. Der Ex-Kripobeamte und Sprecher der Kritischen Polizisten, Thomas Wüppesahl, kommt morgen vorzeitig aus der Haft. Das hat eine Vollstreckungskammer des Berliner Landgerichts verfügt, die sich an der Zweidrittel-Norm – zunächst gegen den Widerstand der Hamburger Staatsanwaltschaft – orientierte. Für Wüppesahl geht damit das düstere Kapitel „Ex-Bulle im Knast“ zu Ende. Der Komplex Wüppesahl beschäftigt jedoch weiterhin die Justiz.

Wüppesahl war vor einem Jahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Berlin Tegel verlegt worden, nachdem er im September von Mitgefangenen im Knast Billwerder verprügelt worden war. In Billwerder hatte Wüppesahl über ständige Schikanen geklagt und dutzende Haftbeschwerden eingereicht – unter anderem, weil er auf der Sicherheitsstation nicht als „gefährdeter“, sondern als „gefährlicher“ Insasse geführt wurde.

Die Berliner Justiz bereitete ihn dagegen frühzeitig auf eine schnelle Haftentlassung vor. Seit Sommer befindet sich der 51-Jährige im offenen Vollzug und konnte tagsüber Termine im Bundestag wahrnehmen, dem er in den achtziger Jahren erst als grüner und dann als parteiloser Abgeordnete angehörte.

Nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftstrafe hofft Wüppesahl nun auf Rehabilitierung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Eine Klage seines Anwalts Bernd Wagner liegt seit Januar vor. Dadurch wäre eine Wiederaufnahme des Verfahren in Deutschland möglich.

Wüppesahl war im Juli 2005 in einem umstrittenen Urteil vom Landgericht Hamburg wegen Verabredung zu einem Verbrechen zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Wiederholt hatte er sich über Mobbing beklagt, weil die Polizei ihn mit dutzenden Ermittlungsverfahren überzog. Seiner eigenen Darstellung nach schlug er deshalb seinem Freund Andreas Schellen zum Schein einen blutrünstigen Raubmord in Berlin vor. Der Wachmann eines Geldtransports sollte erschossen und ihm der Geldkoffer am Handgelenk mit einem Fleischerbeil angehackt werden. Mit dem irren Plan wollte Wüppesahl, wie er behauptet, den Ex-Polizisten Schellen einer vermeintlichen „V-Mann“-Tätigkeit gegen ihn überführen.

Doch Wüppesahl täuschte sich. Schellen stellte sich erst aufgrund des Mordplans in den Dienst der Polizei, um als Lockspitzel für das Dezernat interne Ermittlungen zu arbeiten. Er förderte die Pläne für den Überfall. Bei der Übergabe einer Waffe klickten im Oktober 2004 bei Wüppesahl die Handschellen.

Die Klage vor dem EGMR fußt auf den Umstand, dass Schellen die Planungen antrieb. Denn nach europäischen Recht kann jemand juristisch nicht bestraft werden, wenn der Staat mit verdeckten Ermittlern eine Straftat provoziert oder zumindest aktiv unterstützt. Zum anderen waren im Prozess Wüppesahls Verteidigerrechte beschnitten worden, da das Gericht viele Fragen an den „Zeugen Schellen“ unter dem Hinweis seines besonderen Status nicht zugelassen hatte.