nebensachen aus jerusalem
: Das Sabbatjahr auf den Feldern nützt den palästinensischen Bauern

Ungefähr alle zwei bis drei Abende kommt ein Anruf, der fast immer mit namentlicher Begrüßung beginnt und etwa so weitergeht: „Sie werden sich nicht erinnern, aber Sie haben uns im letzten Jahr so nett gespendet und jetzt würden wir gern …“ Mal geht es um Frauenhäuser, mal um Sommerlager für krebskranke Kinder oder die Sterilisation von Straßenkatzen. Alles förderungswürdige Zwecke und selbst für die Katzen habe ich schon mal in die Tasche gegriffen. Vor gut zwei Jahren nämlich, als der „Verband der Katzen“ dringend Geld brauchte, um die von den evakuierten jüdischen Siedlern im Gazastreifen zurückgelassenen Vierbeiner zu retten.

Das Problem ist, dass die Nachfrage wächst, je öfter man spendet und die ständigen Anrufe sind schon etwas lästig. Viel praktischer wären geregelte Zahlungen etwa per Dauerauftrag, mit dem die jährlichen Spendenbeiträge automatisch erledigt würden, und das latent drückende Gewissen hätte endlich seine Ruh. Ungefähr wie ein Dauerauftrag funktioniert die „Schmita“, das siebte Jahr, das frommen jüdischen Bauern im Heiligen Land Anbau, Ernte und Verkauf landwirtschaftlicher Ware verbietet. Die Früchte, die trotzdem wachsen, sind für die Armen.

Ein geregeltes Spendenjahr, das im Nebeneffekt auch noch gut für die Umwelt ist. Eigentlich eine perfekte Regelung, an der sich der Konsument durch den Preisaufschlag für die importierten Früchte beteiligt, nur für den jungen Judenstaat völlig unpraktikabel. Die landwirtschaftlichen Kooperativen, die Moschawim und Kibutzim, hätte die unfreiwilligen Auszeit wirtschaftlich in die Knie gezwungen.

Das mussten selbst die Chefrabbiner einsehen, die schließlich wehen Herzens eine Sonderverkaufsgenehmigung verhängten, die „heiter mechira“, mit der sie auch den im siebten Jahr geernteten Früchten das Koschheitssiegel verpassten. Die jüdischen Bauern verkaufen ihr Land zu einem symbolischen Preis für ein Jahr an einen Araber und bleiben damit im Rahmen der improvisierten Regeln der Rabbiner. Dem moderat Religiösen ist das gut genug, nur die Ultraorthodoxen halten sich strikt ans Alte Testament und beziehen während der Schmita frisch Geerntetes nur von Nichtjuden.

Das jüdische Ruhejahr der Felder und Haine ist deshalb profitabel für die palästinensischen Bauern, die ihren Anbau frühzeitig dem temporären ultraorthodoxen Markt anpassen. Diese Woche finden wenn auch verspätet – die Schmita hat im September begonnen – doch noch Gespräche zwischen dem Agrarministerium in Jerusalem und dem zum „feindlichen Gebiet“ erklärten Gazastreifen statt, um den Handel von Obst und Gemüse wieder aufzunehmen.

Die palästinensischen Produkte sind im laufenden jüdischen Jahr begehrter denn je, denn zum ersten Mal seit Staatsgründung entschieden die staatlichen Rabbiner, in Sachen Sonderverkaufsgenehmigung nicht zu entscheiden. Darüber, ob es eine „heiter mechira“ gibt oder nicht, sollen sich die städtischen Rabbiner die Köpfe zerbrechen.

Koschheit ist wichtig im Heiligen Land, denn Unkoscheres kommt nicht in die gängigen Supermärkte. Die regionale Autonomie der Rabbiner bedeutet: dieselbe Gurke, die in Herzlia unkoscher ist, könnte in Ramle von religiösen Juden mit Genuss verspeist werden. „Schmita – heiter mechira vom Chefrabbinat Hod Hasharon“ steht auf einer Packung mit frischem Spinat. Noch mal Glück gehabt. In meinem Supermarkt gilt die Sonderverkaufsregelung. Ich muss also weder auf die Gurke aus Gaza warten noch einen Aufschlag für die Armen zahlen. SUSANNE KNAUL