Ein Pappkarton und ein anderes Utensil

TERROR Am Tag nach der Absage des Braunschweiger Karnevalsumzuges bleibt die Begründung der Polizei diffus: Es habe eine konkrete Gefährdung durch einen islamistischen Anschlag vorgelegen

■ Mit einem eigenen Motivwagen haben die Düsseldorfer Narren am Montag an die Anschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo erinnert. Entworfen von Zugbauer Jacques Tilly zeigte der Wagen einen kopflosen Mann auf der Flucht vor einem Maskierten, der ein bluttriefendes Schwert schwingt. Aus dem offenen Hals des Flüchtenden mit dem Charlie-Hebdo-Magazin in den Händen kommt die Spruchblase „Satire kann man nicht töten“.

■ In Köln rollte ein Wagen mit einem abgeholzten Stiftewald, in dessen Mitte ein Clown einen neuen Buntstift als Symbol der Narrenfreiheit wachsen ließ. Es ist derselbe mutige Clown, der nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag eigentlich mit seinem Stift das Gewehr eines Terroristen verstopfen sollte. Diesen Wagen hatte das Festkomitee aber aus Mangel an Courage gestoppt.

■ Mehr als zwei Millionen meist kostümierte Narren haben die Rosenmontagszüge in Köln und Düsseldorf begleitet. (dpa, taz)

BRAUNSCHWEIG taz | Am Montagmorgen zeugen allenfalls die vielen übrig gebliebenen Berliner in den Bäckereien in der Braunschweiger Innenstadt vom abgesagten Karnevalsumzug. Am Sonntagmittag war es hier gespenstig ruhig: keine Narren, die in die Innenstadt zum karnevalistischen Treiben strömten, keine Wagen, keine aufgeregten Kinder. Stattdessen besorgte Anrufe: Bleib zu Hause – es gibt Terroralarm. Um 12.20 Uhr hätte der Karnevalsumzug mit über 100 Wagen starten sollen, 250.000, gar 300.000 Besucher wurden erwartet. Der Braunschweiger Umzug ist der größte im Norden und der viertgrößte im Land.

„Mit Lebensfreud und Fastnachtstrubel feiert die Region Schoduvel“, so lautete das wie stets unverfänglich satirefreie Motto in diesem Jahr. Um 11.40 Uhr war der Karnevalsumzug wegen Hinweisen auf mögliche Anschläge abgesagt worden. Dieser Entschluss war mit dem Oberbürgermeister und dem Zugmarschall in Abwägung widerstreitender Interessen seit der Nacht auf Sonntag beraten worden.

„Aus zuverlässigen Staatsschutzquellen war bekannt geworden, dass eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund vorliege“, teilte die Polizei Braunschweig mit. Lautsprecherwagen forderten letzte verstreute Aktivisten auf, die Innenstadt zu verlassen. Um 14.30 Uhr traten Polizeipräsident Michael Pientka, sein Vize und Staatsanwältin Julia Meyer vor die Presse. Es bleibt diffus. Der Polizeipräsident bezeichnet den Informanten als glaubwürdig, die Schilderung der Gefährdung als konkret genug, um die Großveranstaltung abzusagen. Als Ermittlungserfolg präsentiert er einen Pappkarton und ein anderes „Utensil“, die an nicht erwarteten Stellen gefunden wurden – wie dem zentralen Altstadtmarkt. Von hier hätte der NDR live berichtet. Um 16 Uhr wird die Sperrung der Innenstadt aufgehoben, die Narren konnten derweil in der Stadthalle feiern.

Joachim Grande, Sprecher der Polizei Braunschweig, bestätigt am Montagmittag nochmals, dass kein Zweifel an einer konkret hohen Gefahrenlage bestanden habe: „Das war kein Faschingsscherz, das wissen wir einzuschätzen.“

Es gäbe noch keine neuen Erkenntnisse. Polizeipräsident Pientka habe sich am Vormittag in Hannover mit dem Innenausschuss des Landtages beraten, die Staatsanwaltschaft Hannover und das Landeskriminalamt werden die Ermittlungen fortführen. Es gäbe in Braunschweig und Wolfsburg eine Islamistenszene, wohl auch Rückkehrer vom IS, die beobachtet werden. Unwohl wird Grande beim Thema Bragida. Sie wird am nächsten Wochenende wohl planmäßig auflaufen, er hofft nun auf keine zusätzlichen Sympathisanten. Auch Staatsanwältin Meyer äußert sich zurückhaltend: „Ich kann nichts weiter sagen. Die Akten sind unterwegs nach Hannover.“

„Das war kein Faschingsscherz, das wissen wir einzuschätzen“

SPRECHER DER POLIZEI

BETTINA MARIA BROSOWSKY